Mecklenburger Winter
ihm aus, berührte eine vorwitzige Strähne des dunkelblonden Haares. „So“, flüsterte er rau. Die Finger zitterten, strichen sanft über Stirn und Augenbrauen, dann wagten sie sich über die Nase. Leon hielt still, schien den Atem angehalten zu haben. Kai berührte seine Lippen. Die weiche Haut prickelte unter seiner Fingerspitze, die Lippen öffneten sich ganz leicht. Er folgte dem Bogen der Unterlippe, glitt über die Oberlippe und wieder hinunter. Leon ließ es sich wahrhaftig gefallen, schloss sogar die Augen, als Kai zart über sein Kinn strich und seine Hand an die Wange legte.
So weiche Haut. Leon schmiegte sich hinein. Kais Herz klopfte weit jenseits jedes messbaren Wertes und er ließ seine Hand einfach dort, wollte nie wieder aufwachen, aufstehen, diesen Moment für immer konservieren.
Leon schlug die Augen auf und lächelte scheu. „Fühlt sich ganz gut an“, wisperte er kaum hörbar. Kais Herz machte einen rekordverdächtigen Salto und schlug irgendwo jenseits des Universums weiter. „Wirklich?“, kam es ihm seltsam hell und unwirklich von den Lippen. Träumte er oder war das wirklich real? Oh Mann, wie gut es sich erst anfühlen wird, wenn du mir mehr erlauben würdest.
Sekundenlang starrten sie sich an. Leons Augen bewegten sich kaum, sein Blick ruhte auf Kai und abermals hielt dieser den Atem an, als Leon sich bewegte, seine Hand unter der Decke hervorzog und sie nun seinerseits zögernd nach Kai ausstreckte. Zaghaft berührten Leons Fingerspitzen Kais Wangenknochen. Hauchzart, viel eher ein Windhauch als eine echte Berührung. Er berührt dich, jubelte es dennoch in Kai. Von sich aus. Er tut es wirklich.
Seine Augen wollten sich zwanghaft schließen, seinen Lippen ein sehnsüchtiges Seufzen entkommen. Doch er wagte es nicht, den Blickkontakt zu unterbrechen, den Zauber des Moments zu zerstören. Ganz sicher träumte er. Das hier konnte doch nicht wirklich geschehen? Oder?
Die Finger glitten über seine Wange zum Kinn, verharrten dort, der Kontakt löste sich beinahe, dann berührte Leon tastend Kais Unterlippe. Der Finger verharrte regungslos, wie Leon, der fasziniert auf seinen eigenen Finger starrte.
Ein Traum. Du träumst. Das ist nie und nimmer real. Kai wusste nicht, ob er schreien oder einfach tot umfallen sollte. Dabei liege ich bereits, kommt also nicht so dramatisch. Schreien? Dann wecke ich nicht nur Joschi sondern ganz McPom.
„Kneif mich mal“, flüsterte Kai stattdessen heiser. „Ich glaube ich träume gerade, dass mich Leon, du weißt schon, der Leon mit den graugrünen Augen, gerade ganz zärtlich berührt hat.“ Leon lächelte verlegen, wurde sofort ernst und wollte seine Hand zurückziehen. „Nein!“ Kai griff nach seinem Handgelenk. „Wenn man ruckartig aus einem schönen Traum erwacht, dann wird man verrückt oder erleidet einen Herzinfarkt“, flüsterte er. „Willst du daran schuld sein, dass ich in die Klappse komme oder röchelnd verende?“
Erneut lächelte Leon. Kai spürte seine Hand zittern. Sie war warm. Langsam zog er sie näher zu sich heran und legte sie an sein Gesicht. Zunächst reagierte Leon nicht, setzte Kai jedoch auch keinen Widerstand entgegen. Dann öffneten sich die Finger, legten sich an Kais Wange. Dieser ließ Leons Handgelenk los und legte seine Hand seinerseits an dessen Wange. So lagen sie still, jeder den anderen berührend, stumm, gefangen in diesem zärtlichen Moment.
Leons Lippen bebten, wollten Worte formen, blieben stumm. Worte waren überflüssig, würden stören, konnten nur zerstören. Ihr Atem ging synchron und vermutlich sogar ihr Herzschlag. Kostbarer Augenblick inniger Zweisamkeit.
Das Licht des Mondes und der spärlichen Straßenlaternen draußen vermochte nicht jeden Schatten aus Leons Gesicht zu vertreiben, ließ nur eine Ahnung seiner Regungen zu. Nur jene dünne, silbrige Spur, die sich über seine Wangen zog, schimmerte heller. Völlig lautlos. Nichts war von ihm zu hören. Kais Daumen streichelte Leons Wangenknochen, seine enge Kehle verschloss alle Worte in ihm, ließ ihm nur den Ausdruck dieser Geste und seiner Augen. Sein Hirn war blank, konnte und wollte nicht denken.
Vorsichtig schob er seine andere Hand in Leons Nacken, zog ihn näher zu sich, jeder Zentimeter ein winziger Sieg für ihn, für Leon eine Niederlage, die Kapitulation vor seinen eigenen Gefühlen.
Wortlos zog Kai Leon zu sich heran, barg seinen Kopf an seiner Brust, spürte die Feuchtigkeit an seiner Haut. Keine Niederlage,
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