Meconomy
Filter“ jener Menschen, von denen ich mir gern neue Themen empfehlen lasse, reduziert in der Tat auch Komplexität: Wenn eine Nachricht für mich wichtig ist, wird sie mich finden, wie Wired -Chefredakteur Chris Anderson zu Recht sagt. Andererseits ist all diese ungezielte Onlinekommunikation im Grunde das Gegenteil effizienter Produktivitätsoptimierung. Wer Dinge schaffen will, egal, ob ein Buch, einen Song oder einen Businessplan, muss – es hilft alles nichts – die permanente Erreichbarkeit und die ständige Ablenkung eindämmen. Und zwar nicht nur diejenige durch Job, Kollegen und Chefs. Sondern auch durch Freunde, „Friends”, Kontakte, andere Twitterer und eigene „Follower”.
Die Position vertritt vehement Merlin Mann. Er kämpft heldenhaft gegen die allgegenwärtige Versuchung, sich ablenken zu lassen, beschäftigt zu tun, aber nichts Produktives oder Kreatives zu schaffen. Gegen den Irrsinn, effizienter werden zu wollen, indem man Websites über Effizienz liest und ständig neue „Effizienztools“ auf seinem Rechner installiert: „Einer Facebook-Gruppe über kreative Produktivität beizutreten ist so, als würde man einen Stuhl kaufen, um zu joggen.“
Der moderne Mensch, so sagt er gern, ist wie der Mitarbeiter eines Sandwich-Ladens, der lauter Bestellungen entgegennimmt, diese auf Zettel schreibt und die Zettel dann in immer neuen Reihenfolgen sortiert, immer wieder überlegt, wie man all diese Aufträge am effektivsten abarbeiten könnte – aber vor lauter Sortieren und Planen nie dazu kommt, die Brote zu belegen. „Don’t just take orders, make sandwiches“, lautet Manns Ratschlag, der natürlich in übertragenem Sinn zu verstehen ist.
Die aktuelle Herausforderung für jeden von uns – ob Künstler, Arbeiter, Anführer oder Laie – ist es nach seiner Ansicht, herauszufinden, wo die Grenze verläuft, ab der Kommunikation und Ablenkung uns daran hindern, unsere wirklich wichtigen Projekte zu verfolgen. Und dann diese Grenze auf effektive, pragmatische, deutliche und zivilisierte Weise zu kommunizieren. Wir müssen unsere Zeit mit „Brandschutzmauern umgeben, um Dinge machen zu können“, so Mann: „Hier ist mein einziger Profitipp für Sie: Sobald Sie es geschafft haben, Ihre Zeit zurückzustehlen und Ihre Aufmerksamkeit in den Griff bekommen haben, nutzen Sie beides, indem Sie fantastische Dinge machen, an denen jeder, den Sie begeistern wollen, Gefallen findet. Schmeißen Sie eine große Party für die Welt und geben Sie damit an, was Sie alles schaffen können, sobald Sie aufhören, zwanghaft für ein Publikum zu schreiben, das aus je nur einer Person besteht. Lassen Sie Ihre großartige Seite raus, damit wir alle sie sehen können.“
Dinge geregelt kriegen – oder auch nicht
Als Vater aller Produktivitätsexperten darf der Amerikaner David Allen gelten, dessen schon 2001 erschienenes Buch „Getting Things Done“ – zu Deutsch etwas holperiger: „Wie ich die Dinge geregelt kriege“ – bis heute ein weltweiter Bestseller ist. 2009 persiflierten die deutschen Autoren Kathrin Passig und Sascha Lobo sein von vielen als etwas spießig und bürokratisch empfundenes Regelwerk mit ihrem eigenen Buch „Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin“, in dem die beiden zum hemmungslosen Prokrastinieren aufrufen, also zum Aufschieben, Ignorieren und genussvollen Nichtstun.
Die Persiflage war lustig, funktionierte aber eben nur in Abgrenzung zur übermächtigen Deutungshoheit des Originals. „Getting Things Done“ wird mit GTD abgekürzt und ist vom Schlagwort für Produktivitätstipps geradezu zum Mantra des modernen Wissensarbeiters geworden. Die Sache ist zweischneidig: Folgt man Allen sklavisch, endet man in der Tat in einem wenig attraktiven Ablagesystem aus Ordnern und Listen. Einen kleinen Etikettendrucker braucht man auch noch. Sagen wir so: Als ich zum ersten Mal probiert habe, GTD auf meinen Schreibtisch anzuwenden, war zwar alles nach zwei Stunden wunderbar sortiert und „wasserdicht“ abgelegt, wie David Allen das nennen würde. Meine Freundin aber war kurz davor, mich zu verlassen, weil ich mich über Nacht in einen biederen Beamten verwandelt hatte.
Man muss also vorsichtig sein mit Allens Methode. Ich empfehle eine Art GTD-Light: Nichts liegt mehr auf Stapeln oder wilden Haufen auf dem Schreib- oder Küchentisch. Vielmehr kommen alle Papiere, Briefe, Notizen gleich in eine „Inbox“ genannte Ablage, die regelmäßig ausgemistet wird. Dann
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