Meconomy
sehe ich überhaupt keinen Widerspruch.
Dekonstruiertes Wissen und Universalgenies
Es ist nur logisch, dass der nächste Schritt in der individuellen Selbstverbesserung und im Aneignen neuer Fähigkeiten kommen musste. Er geht über persönliche Produktivität und Tipps rund um Arbeit und Organisation weit hinaus und umfasst nahezu alle Lebensbereiche. Seine Protagonisten sind einerseits näher an der klassischen Selbsthilfeliteratur, agieren jedoch andererseits auf einem strikt pragmatischen und alltäglichen Level von Selbstversuch und Lebenspraxis. Verbreiten und vermitteln ihre teils durchaus verblüffenden Erkenntnisse andererseits in weltweiten Online-Netzwerken – Seth Godin würde sagen: Stämmen –, die sich um diese Persönlichkeiten bilden, ihre Ideen diskutieren und weiterentwickeln.
In wenigen Wochen Japanisch lernen? Innerhalb eines Monats vom Spargeltarzan zum Muskelmann werden? Als Anfänger Tango tanzen und Preise gewinnen? Tim Ferriss, Buchautor des Bestsellers „Die 4-Stunden-Woche“ praktiziert seit geraumer Zeit eine Technik, die er als „Effortless Skill Acquisition“ bezeichnet – als mühelosen Erwerb neuer Fähigkeiten. Er nimmt sich Bereiche vor, in denen er sehr schlecht ist oder die er aus anderen Gründen beherrschen möchte. Er dekonstruiert die gängigen Lehrmethoden, sucht nach impliziten Regeln, die in der expliziten Anleitung nicht vorkommen, und schafft es so tatsächlich, innerhalb kürzester Zeit Dinge zu lernen oder zu erreichen, für die andere Jahre brauchen würden.
Ist der Mann ein Betrüger, ein Aufschneider oder ein Verrückter? Nehmen wir einmal an, dass er die Wahrheit sagt – wofür spricht, dass er es sich als Bestsellerautor weder leisten kann, offensiv zu lügen, noch es nötig hat –, dann bleiben die letzten beiden Möglichkeiten. Sicher mag Ferriss es, gehörig anzugeben. Aber seine Aktionen haben einen zutiefst rationalen, pragmatischen und analytischen Kern. Er will Dinge können und zwar viele und schwierige Dinge. Also findet er unkonventionelle Wege, wie er diese Ziele erreicht. Und auch er teilt die praktischen Tipps und systematischen Erkenntnisse, auf die er dabei stößt, per Blog, Internetvideos und Twitter mit aller Welt. Seine Leser ergänzen die Techniken um eigene Hinweise und Kommentare. So entsteht ein weltweites Netz der Tipps und Tricks, das von vielen Nutzern gemeinsam ständig weiterentwickelt, verändert, optimiert wird. So gab der Trainer der amerikanischen Schwimmnationalmannschaft zum Beitrag über Freestyle-Schwimmen Hinweise. Normalerweise würde man so einen Experten nie kennenlernen: Dank dieser speziellen Form des E-Learning profitiert jeder Leser der Website von seinem Wissen. Was es genau mit dem Lifestyle auf sich hat, wollte ich von Ferriss wissen:
Herr Ferriss, Sie behaupten, man könne sich ein traumhaftes Leben „designen“, mit langen Weltreisen, neuen Fähigkeiten und ohne Bürostress. Wie geht das?
Timothy Ferriss: Legen Sie das monatliche Zieleinkommen für Ihren Traum-Lebensstil fest. Rechnen Sie aus, welches stündliche Einkommen Sie dafür brauchen. Und dann fangen Sie an, strategisch Dinge zu eliminieren, die Sie davon ablenken. Ziehen Sie Aktivitäten ab, bevor Sie neue dazuaddieren.
Sind wir Deutschen nicht doch zu pflichtbewusst für derart leichtfüßige Experimente? Immerhin sind wir das Land der Sekundärtugenden Fleiß, Disziplin, Gehorsam und Pünktlichkeit ...
Ferriss: Ehrlich gesagt, denke ich, dass die Deutschen perfekt für das sind, was ich Lifestyle-Design nenne. Sie haben eine exzellente mentale Hardware, sind geübt darin, in Systemen zu denken und Prozessen zu folgen. Es ist nur so, dass manche Deutsche an den alten, überkommenen Regeln hängen. Alte Software, sozusagen. Bei meinem Konzept geht es darum, Input zu reduzieren und Output zu maximieren. Es geht darum, Regeln infrage zu stellen, mit denen man sich selbst schadet. Klassische deutsche Tugenden wie Pflicht, Fleiß, Pünktlichkeit und Disziplin sind da durchaus nützlich, aber Gehorsam kann gefährlich sein.
Ihr Buch hat Sie zum Millionär gemacht, und nun arbeiten Sie daran, neue Fähigkeiten zu erwerben und Ihren Körper zu optimieren. Denken Sie eigentlich immer nur an sich?
Ferriss: Keineswegs. Ich möchte den Analphabetismus in den Entwicklungsländern bekämpfen. Und ich würde gerne eine Revolution in Sachen mathematischer und wissenschaftlicher Erziehung starten, vor allem in den USA. Zusammen mit einer Gruppe
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