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Meconomy

Titel: Meconomy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Albers
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sein“, fasst de Botton zusammen.  
    Damit begann für ihn jener Anspruch, der uns heute mehr denn je umtreibt: Arbeit soll immer auch Selbstverwirklichung sein. Um herauszufinden, wie diese historisch also relativ neue Idee unser heutiges Denken prägt, besucht Alain de Botton einen Karriereberater, der ja genau für jene Übereinstimmung sorgen soll. Dieser Herr sagt etwas sehr Interessantes: Die am meisten verbreitete und am wenigsten hilfreiche Illusion, die seine Kunden plage, sei jene, dass sie irgendwie im Verlauf der Ereignisse intuitiv hätten wissen müssen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollten – „lange, bevor sie ihre Abschlüsse gemacht hatten, ihre Familien gegründet, Häuser gekauft oder an die Spitze von Anwaltskanzleien aufgestiegen sind. Sie quälten sich mit der Vorstellung, dass sie wie durch einen Fehler oder selbstverschuldete Dummheit ihre wahre ‚Berufung‘ verpasst hatten.“
    Genau das ist aber Unsinn. Der Psychologe Abraham Maslow war es, der gesagt hat: „Es ist nicht normal, zu wissen, was wir wollen. Es ist eine seltene und komplizierte psychologische Leistung.“ Die Frage ist also nicht, ob wir schon als Kinder wussten, dass wir Arzt werden wollten und wieso es uns nicht gelungen ist, diese tief in uns angelegte Bestimmung umzusetzen. Die Frage ist vielmehr, warum wir nicht öfter bereit sind, uns selbstkritisch und vorbehaltlos zu befragen, um herauszufinden, was wir jetzt wollen. Wie wir uns unser Leben in fünf oder zehn Jahren vorstellen. Und was wir sofort konkret unternehmen müssen, um die ersten Schritte auf dem Weg dorthin zu machen.  
    Es ist nicht unser fünfjähriges Ich, das uns unser heutiges Leben mit einem schlechten Gewissen verderben sollte – es sind vielmehr jene Weichen, die wir als Pubertierende stellten, die heute womöglich nicht mehr die richtigen sind. Die meisten Menschen „beschränken sich darauf, ihr gesamtes Erwachsenenleben in Jobs zu arbeiten, die ihr 16-jähriges Selbst, ohne nachzudenken, ausgewählt hat“, so de Botton.
    Es geht nicht darum, dass in jedem von uns ein Genie schlummert, das nur gefunden werden will. Mit 30 wird man kein Geigenvirtuose mehr, und wer mit 40 beschließt, in die Politik zu gehen, um Bundeskanzlerin zu werden, ist wohl auch etwas spät dran. Es geht aber darum, dass nicht alle Entscheidungen mit 20 gefällt sind und wir uns von da an auf vorgegebenen Bahnen durchs Leben bewegen müssen. Unsere Welt wird immer unberechenbarer, volatiler. Wenn keiner genau weiß, welche Unternehmen in zehn Jahren erfolgreich sein werden, welche neuen Jobprofile in fünf Jahren die begehrtesten sind, dann bedeutet das auch eine Chance, sich nicht abzufinden.  
    Wir gehen nicht durchs Leben, um eine angeborene Bestimmung umzusetzen und unglücklich zu sein, wenn uns dies nicht gelingt. Wir sollten vielmehr immer wieder bereit sein, uns selbst zu fragen: Was will ich eigentlich heute? Wir müssen nach dieser Wahrheit suchen, und auch wenn die Antwort selten klar und eindeutig ausfallen wird, sollten wir doch bereit sein, auf das hinzuarbeiten, was uns wirklich Spaß machen könnte. Das wird in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich sein. Unser Leben ist nicht statisch, warum sollte es also unser Job sein? Es wird Zeit, dass wir anfangen, uns immer mal wieder zu erfinden.
    Das Ziel kann dabei ein durchaus schlichtes sein: dass unsere Arbeit Spaß macht und unsere Leidenschaften zumindest teilweise dazu beitragen, unseren Lebensunterhalt zu sichern. Wie wir gesehen haben, wird das keine einfache Mission. Wir sollten zumindest eine Annäherung versuchen.  

Leidenschaft und Geduld
    Eine internationale Galionsfigur dieser neuen Selbstverwirklichungskultur in der Meconomy ist ein 36-jähriger gebürtiger Russe namens Gary Vaynerchuk, über den wir schon im ersten Kapitel kurz gelesen haben. Vaynerchuk, der 1978 in die USA kam und heute in Springfield, New Jersey, lebt, hat einen Berufszweig erfunden, den es bis dahin gar nicht gab: Er ist der weltweit wohl erfolgreichste Wein-Videoblogger. Nun ja, er ist auch der erste und womöglich noch immer der einzige, aber er ist erfolgreich nicht nur in relativem, sondern auch in absolutem Maßstab.
    „Gary Vaynerchuk betreibt Wine Library TV, und er hat einen Stamm“, sagt Seth Godin – Sie erinnern sich: der Marketingexperte, der behauptet, heute könne jeder zum Anführer seines eigenen Stammes werden, wenn er nur ein Geschäftsmodell rund um seine Leidenschaft aufbaut.

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