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Meconomy

Titel: Meconomy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Albers
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    Gary Vaynerchuk, Wein-Videoblogger

Arbeit als Quelle des Glücks
    Fragt man Kinder, was sie später einmal werden wollen, sagen Sie selten: Sachbearbeiter in einem Versicherungsunternehmen. Oder Optimierer von Google-Rankings oder Senior Account Manager. Kinder haben konkrete, handfeste Vorstellungen von Arbeit. Der sprichwörtliche Feuerwehrmann oder Lokomotivführer mag heute nicht mehr an erster Stelle infantiler Jobwünsche stehen, vielleicht aber doch noch Arzt, Ladenbesitzer oder Geheimagent. Dafür zu plädieren, solche Träume als Erwachsener in jedem Fall umzusetzen, wäre naiv, sogar fahrlässig. Diese Vorstellungen als irrelevant abzutun, hieße aber, einen wichtigen Aspekt dessen auszublenden, was uns menschlich macht: die Fähigkeit, uns selbst in fiktive, idealisierte Kontexte hineinzublenden. Uns vorzustellen, was wäre, wenn. Nur so entstehen Pläne, Visionen, nur so entsteht Neues.
    Die Frage, warum wir nicht alle Lokomotivführer oder Geheimagenten werden können, lehrt uns zugleich eine wichtige Lektion über das Berufsleben und damit über unsere Gesellschaft: Wir sind zwar, „zumindest in der industrialisierten Welt, die einzigen Tiere, die sich nach jahrtausendelanger Anstrengung von der aufgeregten Suche nach der nächsten Nahrungsquelle befreit haben und uns dadurch neue Zeitspannen eröffnet haben – in denen wir Schwedisch lernen können, Differenzialrechnung pauken oder uns über die Authentizität unserer Beziehungen sorgen“, so der britische Philosoph und Bestsellerautor Alain de Botton in seinem jüngsten Werk „The Pleasure and Sorrows of Work“ – „Über die Freuden und Mühen der Arbeit“.  
    Dennoch, so de Botton, ist unsere moderne Welt keineswegs jenes Paradies des Überflusses, das sich unsere Vorfahren im Mittelalter erträumt haben. „Die klügsten Köpfe verbringen ihr Arbeitsleben, indem sie Funktionen von unfassbarer Banalität vereinfachen oder beschleunigen.“ Ingenieure schreiben Abhandlungen über die Geschwindigkeiten von Scanner-Maschinen, so der Feingeist erschüttert, und Berater widmen ihre gesamte Karriere der Implementierung kleiner Einsparungen in den Arbeitsabläufen von Regalpackern und Gabelstaplerfahrern. Kein Wunder, dass wir Zorn empfänden über unser Eingesperrtsein. Dass unter unserer gesetzestreuen und folgsamen Oberfläche eine Wut koche angesichts des Preises, den wir für unsere tägliche Unterwerfung am Altar der Besonnenheit und Ordnung zahlten. Denn in Wahrheit strebten wir doch – kurz gesagt – tief im Innern alle nach einem sinnvollen Job.
    Gleichzeitig ist es vielleicht eine der Tragödien unseres modernen Lebens, dass wir von uns selbst erwarten, Erfüllung ausgerechnet in unserer Arbeit zu finden, persönliches Glück ausgerechnet aus jenem Lebensbereich zu ziehen, den frühere Generationen als diesem so diametral entgegengesetzt empfanden.
    Im vierten Jahrhundert vor Christus definierte der griechische Philosoph Aristoteles das Verhältnis zur Arbeit auf eine Weise, die fast 2000 Jahre bestand haben sollte: Wer bezahlte Arbeit ausführen musste – und zwar sowohl handwerkliche als auch kaufmännische –, war auf einer Stufe mit Sklaven und Tieren anzusiedeln. Arbeit führte zu psychologischen Deformationen. Nur wer vermögend genug war, ein Leben in Freizeit und ohne Mühsal zu führen, galt als Bürger, der die Freuden von Musik und Philosophie genießen konnte.
    Das frühe Christentum hatte dem wenig Erbauliches hinzuzufügen. Arbeit galt hier als angemessene und unveränderliche Art, Sühne für den Sündenfall zu leisten. Erstmals fand sich in der Renaissance der Gedanke, dass praktische Aktivitäten etwas Nobles, Erfüllendes haben könnten. Leonardo da Vinci und Michelangelo waren Genies, aber eben auch Handwerker. Die Mitte des 18. Jahrhunderts erschienene 27-bändige Enzyklopädie von Diderot und D’Alembert pries dann erstmals in vielfältigen detaillierten Einträgen solch vormals als niedrig empfundene Tätigkeiten wie Brot backen, Buchdruck, Spargel pflanzen, eine Windmühle betreiben oder einen Anker schmieden. Diderot plädierte offen dafür, nicht nur die „liberalen“ Künste – also Aristoteles` Musik und Philosophie –, sondern auch die „mechanischen“ wertzuschätzen. Die bourgeoisen Denker stellten Aristoteles auf den Kopf: „Es schien nun so unmöglich, dass jemand glücklich und unproduktiv sein kann, wie es zuvor unwahrscheinlich schien, man könne zugleich arbeiten und menschlich

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