Meconomy
„Millionen von Menschen auf der ganzen Welt schauen ihm zu, um ihre Leidenschaft für Wein in eine Erzählung zu fassen. Er hilft ihnen, neue Weine zu entdecken und jene, die sie lieben, besser zu verstehen.“
Aber der Reihe nach. Im Jahr 2005 war Vaynerchuk noch nur der Sohn eines Weingroßhändlers in New Jersey. Er arbeitete im Familienunternehmen mit – kein kleines Unternehmen, es machte einige Millionen Dollar Umsatz pro Jahr. Doch dem Sohn reichte es nicht, Geschäftsführer eines Weinversandes zu sein und eines Tages der Besitzer. Er galt als mitreißender, charismatischer Typ, als geborener Verkäufer, als Alleinunterhalter. Und er sah die Chancen, die das Internet mit seinen nahezu nicht existierenden Produktions- und Vertriebskosten für Medienprodukte bot. Also nahm er eine seiner Leidenschaften – den Wein – und verband sie mit seiner anderen – Menschen zu unterhalten und im Mittelpunkt zu stehen – und startete im Februar 2006 eine Website, auf der er täglich kurze Videos veröffentlicht.
In diesen zehn bis 30 Minuten langen Filmchen sitzt er vor der Kamera, testet Wein und macht Witze. Manchmal hat er einen Gast, der mit ihm die Weine bespricht. Das war’s. Mehr passiert nicht auf Wine Library TV. Das Ganze ist aber in einer Weise unterhaltsam und lehrreich, dass man sich wundert, warum man jemals einen Weinführer gekauft hat. Oder – wenn man sich bisher für Wein gar nicht interessiert hat, ob man nicht mal schnell damit anfangen sollte. Natürlich finanziert sich das Ganze auch damit, dass die Zuschauer den angepriesenen Wein gleich im benachbarten Webshop kaufen können, ist also eine clevere Art des Marketings für den guten alten Weinladen des Vaters. Aber vor allem ist es Vaynerchuks Selbstverwirklichung, seine Vorstellung des idealen Jobs. Der Mann ist ein Entertainer, aber keine klassische Fernsehpersönlichkeit. Mit seiner quäkigen Stimme, den Sportanekdoten, dem leicht prolligen Humor und der respektlosen Art, selbst teure Weine kritisch zu bewerten, hätte er nie einen Vertrag in einer klassisch distinguierten Genießersendung bekommen.
Online fand er sein Publikum, weil er hier weltweit „sendet“, weil eben nur die zu ihm kommen, die auf genau diese Art von Weinkritik gewartet haben und weil sie es weitererzählen. Vaynerchuk ist sehr gut darin, die viralen Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Anfangs forderte er die Zuschauer ständig auf, auf ihn zu verlinken, also von ihren eigenen Websites auf seine zu verweisen. Der Erfolg ist mittlerweile so gigantisch, dass er inzwischen Angebote diverser TV-Sender hatte, die ihn ins richtige Fernsehen holen wollten. Vaynerchuk hat sie alle abgelehnt: „Warum sollte ich meine Inhalte weggeben?“, fragt er selbstbewusst. „Die Zeitungen und Sender haben nicht länger die Kontrolle. Man muss seinen eigenen Markenwert aufbauen.“ Einen spektakulären Vertrag über zehn Bücher, der ihm mehr als eine Million einbrachte, hat er aber im März 2009 unterschrieben, und mit seinen Vorträgen und Keynote-Reden dürfte er inzwischen weit mehr verdienen als mit dem Weinhandel.
Er hat – ebenso wie viele andere jüngere Menschen – damit die Grundregel der Meconomy verstanden, die angesichts der neuen digitalen Kommunikationsformen nicht nur das Wirtschaftsleben und die Karriereplanung auf den Kopf stellt, sondern auch unsere Möglichkeiten, an der eigenen Legende mitzuschreiben – und sei es auch im kleinsten privaten Rahmen: „Das Vermächtnis ist wichtiger als das Geld. Hat jeder schon völlig verstanden, dass Eure Groß-Groß-Großenkel alles sehen werden, was Ihr jemals getan habt?“, fragt er bei den mitreißenden Vorträgen, die er seit seinem Erfolg auf großen Konferenzen hält: „Ich denke jeden einzelnen Tag daran. Ich will, dass meine Enkel stolz auf mich sind.“
Seine Botschaft, das Leben selbst in die Hand zu nehmen, seine Geschichte selbst zu schreiben und die neuen technischen Möglichkeiten dazu zu nutzen, die eigene Leidenschaft zu monetarisieren, trifft einen Nerv. Zu einer Zeit, in der nicht erst die Wirtschaftskrise gezeigt hat, dass wir uns auf das scheinbare Sicherheitsnetz aus Rente, Aktiendepot und öder Festanstellung sowieso nicht mehr verlassen können, sind es Erfolgsgeschichten wie die von Vaynerchuk, die zeigen, wie wir glücklicher und erfolgreicher sein können, wenn wir an unsere Leidenschaften glauben und uns überlegen, wie wir sie zu Geld machen können. Gary Vaynerchuk zeigt, wie
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