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Meconomy

Titel: Meconomy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Albers
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Schulungskurse“, schrieb die Zeitschrift Focus im Sommer 2009. Das Magazin analysierte prompt alltagspsychologisch, bei diesem Trend zum Selbermachen gehe es wohl um den „Wunsch nach Selbstverwirklichung, dem Ausleben der eigenen Möglichkeiten und Talente“. Der Neurobiologe Gerald Hüther wird mit dem etwas verquasten Satz zitiert: „Es gibt kein stärkeres Bedürfnis der Menschen als das, dass sie sich als selbstwirksam erfahren wollen.“ Ulrike Zeitlinger, beim Burda-Verlag für die neuerdings wieder in Mode gekommen Schnittmuster verantwortlich, sieht im Nachgang der Wirtschaftskrise „eine extreme Sehnsucht nach Entschleunigung und Rückzug“. Also, schließt das Nachrichtenmagazin, komme bei Stadtflucht und Handwerksboom ein „Wunsch nach Individualismus“ zum Tragen sowie eine gewisse Technikmüdigkeit – viele Menschen wollten nach einem Alltag mit E-Mail und Computer wieder „das wahre Leben“ spüren, statt sich in dessen Simulationen zu verlieren.
    Eine Paradoxie dieser Logik fällt den Focus -Autoren selbst auf: Die neue Lust am Handwerkern gäbe es ohne das Internet gar nicht. „Die Zeiten, in denen jeder Vati den Sohnemann im Hämmern und Hobeln schulte, sind vorbei.“ Nun muss man sich das Know-how eben aus dem Netz holen. Analog zu den Blogs der Selbstverbesserungsexperten und Lifestyledesigner gibt es auch für Heimwerker, Gärtner und angehende Naturburschen jede Menge nützlicher Onlinequellen, bei denen sich Wissen tanken, vor allem aber mit Gleichgesinnten anbandeln lässt. Focus reimt fröhlich: „Geht’s ums Dübeln, Düngen, Suppebinden, wirst Du was bei Google finden.“
    Die Unterstellung eines inhärenten Gegensatzes von Naturliebe und Technikbegeisterung unterschlägt aber vor allem, dass sich die meisten der neuen, modernen Stadtflüchtlinge keineswegs als Aussteiger begreifen, dass sie eben nicht alles hinter sich lassen wollen, um Kartoffeln anzubauen. Sie haben stattdessen begriffen, dass die alte Trennung zwischen Stadt und Land, zwischen anspruchsvollem, gut bezahltem Bürojob und konsumfeindlicher Naturidylle so eben nicht mehr gilt.
    Heute pendelt der zeitgemäße Arbeitnehmer zwischen Wochenendhaus und Flughafen, ist das Eigenheim im Grünen gleichzeitig Büro mit Breitbandanschluss und kann der Bauernhof zur Hightech-Zentrale ausgebaut worden sein. Das gute Leben ist kaum mehr streng zu verorten, geografische Einschränkungen der Lebensplanung haben immer weniger Geltung – mit dem Laptop unterm Apfelbaum zu sitzen ist heute nicht billiges Klischee aus Computerzeitschriften, sondern pragmatischer Alltag von immer mehr Menschen.

Sommerhaus, jetzt
    Volker Schriefer kennen Leser von „Morgen komm ich später rein“ schon als frustrierten Controller eines Großkonzerns, der sich aus dem Terror von 12-Stunden-Tagen und permanenter Anwesenheitspflicht befreit hat. Der mit Mitte 30 seinen hoch dotierten Job kündigte, erst mal acht Monate mit Mini-Budget durch Südamerika reiste und sich als Fotograf ausprobierte, bevor er zu seinem alten Beruf zurückkehrte – aber eben nicht als festangestellter Bürosklave, sondern als Freiangestellter, der seine Arbeitszeit selbst einteilt, Phasen intensiven Geldverdienens mit langen Urlauben abwechselt und allgemein so viel wie möglich zu Hause arbeitet, weil er dort viel produktiver ist als in der oft ineffizienten Atmosphäre von Meetingwahn und Büropolitik.
    Schriefer findet nun, zwei Jahre später, immer noch, dass dies die beste Entscheidung seines Lebens war – und er möchte seinen Lebensentwurf einen Schritt weitertreiben. Er hat schon immer davon geträumt, ein Grundstück mit altem Baumbestand zu besitzen. Ein kleines Häuschen nahe an einem See. Ruhe, Natur, Grün. Jetzt hat er sich überlegt: Seine Art zu arbeiten kann er wirklich von überall aus umsetzen. Nicht nur aus der eigenen Wohnung – sondern auch von seinem erträumten Haus am See aus. Er ist einige Wochen pro Jahr bei Kunden vor Ort, viele weitere Wochen arbeitet er für sich allein an Konzepten und Strategien für diese Kunden – und den Rest der Zeit arbeitet er gar nicht, sondern reist und fotografiert, denn sein Honorar ist gut und seine täglichen Ansprüche sind bescheiden.

    Herr Schriefer, Sie haben Ihr Leben komplett umgekrempelt, einen sehr gut bezahlten Job gegen mehr Freiheit getauscht. Bereuen Sie das schon?
    Volker Schriefer: Nein, ich denke, es war wohl die beste Entscheidung meines Lebens. Erst im Rückblick ist mir deutlich

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