Meconomy
geworden, wie wenig angestelltenkompatibel ich war, wie sehr ich mich in die Rolle quetschen musste, die ich in dem Unternehmen gespielt habe. Der jetzige Arbeitsmodus fühlt sich für mich als der richtige an; ich bin nicht an ein Unternehmen gebunden, kann meine Arbeitsauslastung – in gewissen Grenzen – selbst steuern und mich weitgehend fernhalten von der Innenpolitik einer Organisation. Wenn ein Auftraggeber für mich unerträglich wird, dann kann man das Engagement beenden und sich in seinem Netzwerk nach einem anderen Auftrag umsehen.
Können Sie anderen raten, es Ihnen gleichzutun?
Schriefer: Ich würde jedem, der den finanziellen Puffer hat, raten, sein Berufsleben umzukrempeln und nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Die Lebenszeit ist von limitierter Länge, und bei der Pensionierung sollte sich niemand selbst vorwerfen müssen, dass man Jahrzehnte in einem unbefriedigenden Arbeitsverhältnis verbracht hat. Natürlich ist das nicht jedem möglich. Ich habe einen Kollegen, der sich auch gerne selbstständig machen würde, aber durch eine Hypothek und seine Familie nicht über die Reserven verfügt, diesen Schritt wagen zu können.
Hilft die neue Technik?
Schriefer: Natürlich wäre es ohne E-Mail sehr schwierig, auch mal vom Home-Office aus zu arbeiten. Telefonkonferenzen benutzen wir häufig. Auf einem Projekt haben wir eine Software namens Projectnet eingesetzt, mit der man Projekte online managen kann. Mit ortsunabhängigen Präsentationsprogrammen wie Netviewer lassen sich Kunden ganz gut Resultate der Arbeit vorführen. Gelegentlich nutzen wir Videokonferenzen.
Sie haben jetzt ein kleines Häuschen vor den Toren Berlins. Was reizte Sie am ländlichen Leben?
Schriefer: Die Uckermark ist der denkbar konträrste Gegenentwurf zu Berlin Prenzlauer Berg. Es gibt dort die reine, unberührte Natur. Die Menschen sind äußerst einfach und unprätentiös. Die Luft ist gut. Man fühlt sich nicht verpflichtet, von der überbordenden freizeitgestalterischen Vielfalt Berlins Gebrauch zu machen. Alles, was man in der Uckermark benötigt, sind Ruhe und Natur.
Wie sieht ein typischer Tag aus, wenn Sie nicht vor Ort beim Kunden sind?
Schriefer: Frühstück im Garten, Laptop aus dem Haus holen, E-Mails lesen und schreiben, Bildschirmarbeit im Garten, zwischendurch Hecken schneiden und Unkraut jäten oder im See baden. Am Nachmittag eine Telefonkonferenz mit Kollegen zu aktuellen Fragen, dazwischen kurzer Plausch mit Gerd, dem arbeitslosen Handwerker von gegenüber, zu Problemstellungen des Dachausbaus. Am Abend Laptop zuklappen und Handy ausschalten, dann Barbecue mit Freunden zwischen Obstbäumen.
Doch das Häuschen im Grünen ist nicht nur etwas für saturierte Besserverdienende, auch die Jüngeren können ihm durchaus etwas abgewinnen. „Der Trend, dass junge Leute auch ohne Kinder aufs Land ziehen, hält unvermindert an“, sagt Eugen Schnoor vom Ring Deutscher Makler in Berlin. Zwar seien die angesagten Lagen in den deutschen Großstädten nach wie vor gefragt. Doch wählten junge, gut verdienende Akademiker immer wieder gern die ruhigen Gegenden vor den Toren der Stadt. Für viele begann der Trip ins Grüne als Urlaub: „Sie entdecken das Sommerhaus vor den Toren der Großstadt als Alternative zum Backpackertrip durch Thailand“, so der Trendforscher Peter Wippermann: „Ihre Eltern haben ihnen bei der Geburt eine Senatorkarte für die besten Flughafenlounges reserviert, sodass ihnen das Reisen zur zweiten Heimat wurde. Für ihre Erzeuger sind sie auch heute gern bereit, über das Netz Pauschalurlaube preiswert zu buchen, aber nicht für sich selbst. Sie kennen die Welt, nicht jedoch die Wäldchen in der Nähe.“ Die Lust am Vergnügen in den Naherholungsgebieten zwischen Nord- und Ostsee und den bayerischen Alpen wachse „nicht, weil es eine steigende Sozialschwäche in der nachwachsenden Touristenzielgruppe gibt, sondern weil die Stil-Gruppen eine ästhetische Entscheidung getroffen haben: Heimat ist schön. Das haben sie vom Wunderkind Joop gelernt, der seine Liebe zu Potsdam öffentlich bekennt.“
Wippermann sieht hier größere Zusammenhänge am Werk: „Das Aussteigen aus dem Projekt ‚schneller leben‘ kann nicht mehr mit der Mentalität der Hippies gelöst werden.“ Die ersten Erfahrungen mit der neuen Arbeitswelt zeigten, dass Einfallsreichtum und Innovationen die höchste Wertschöpfung in der Wissensgesellschaft haben werden. Gerade in der Krise wird nach einer Phase
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