Meconomy
Bei den Studenten, die er interviewe, stehe in der Lebenszielplanung die Karriere nicht mehr an oberster Stelle, sondern das Gleichgewicht von Privat- und Berufsleben. „Die junge Generation nimmt eine Güterabwägung vor und stellt fest: Der Karrierismus allein bringt keine Lebenserfüllung. In der derzeitigen Arbeitswelt wird man als Person geopfert.“
Ergebnis: Die „ultimative Auspowerung“ finde nicht mehr statt. „Man sagt sich: Lieber reduziere ich meine Karriereansprüche und bleibe in der zweiten Reihe. Dann kann ich wenigstens noch in den Spiegel schauen - und mein eigenes Lebenskonzept verwirklichen.“ Opaschowski sieht darin eine Revolution und Evolution zugleich – verbunden mit dem Wandel vom quantitativen zum nachhaltigen Wohlstandsdenken. Die Formel laute: Lieber gut leben, statt viel haben.
Dieses Umdenken wurde in seinen Augen durch die Wirtschaftskrise endgültig eingeleitet. Veränderungen kündigten sich immer in Krisenzeiten an. Solange die Arbeitswelt Anreize bereitstellen kann, die zum Wohlleben beitragen, denkt man nicht groß darüber nach. „Dann ist man im Hype des Aufstiegs gefangen. Das konnten wir in den 80er- und 90er-Jahren beobachten: Es ging immer nur aufwärts, bis die Luftblase der New Economy platzte. Seither kann die Arbeitswelt diese Garantie nicht mehr einlösen.“
So könnte der Zusammenhang von Meconomy und Gemeinschaftsgefühl, von Selbstverwirklichung und Ausstieg aus dem Leistungswahn aussehen: Gerade junge Arbeitnehmer sind pragmatisch genug zu erkennen, dass der Job ihnen keine absolute Sicherheit mehr bietet, auch keine feste Lebensstruktur. Deshalb verzichten sie nicht auf Karriere und Leistung, sie wollen diese aber nach ihren eigenen Regeln gestalten. So, dass sie dem Job nicht mehr das ganze Leben unterordnen müssen. Dass sie nicht mehr – wie frühere Generationen – für den Arbeitgeber ihre Freunde, Familie, Interessen und Reisen komplett vernachlässigen oder aufgeben. Die Meconomy ist nicht leistungsfeindlich, aber ihre Protagonisten wissen sehr genau, dass Arbeit nicht alles ist und der Job kein Ersatz für ein erfülltes Leben.
Der Thinktank im Kanzleramt
Horst Opaschowskis Studie war Teil einer großen Bestandsaufnahme und Prognoserunde, die 2009 im Auftrag von Angela Merkel stattfand. Das Bundeskanzleramt bat Zukunftsforscher und Experten aus verschiedenen Disziplinen an einen Tisch, um herauszufinden, wohin sich Deutschland entwickelt: Soziologen und Medienwissenschaftler, Arbeitsexperten und Unternehmer, Designer, Stiftungsvertreter und sogar ein Science-Fiction-Autor waren dabei. Der Publizist Peter Felixberger hat die Ergebnisse protokolliert. Gegenstand der Überlegungen war, schreibt er, „die nächste Generation, die im Jahr 2030 an den Schalthebeln in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sitzen wird“, sowie „die möglichen Verbindungslinien dorthin“.
Die Beteiligten diskutierten Felixbergers Beobachtung nach „ergebnisoffen, welche Zukünfte gerade begonnen haben“ und für welche wir uns entscheiden können. „Die Kanzlerin wollte Denkanstöße von ganz unterschiedlichen Experten erhalten. Langfristige Perspektiven jenseits des Tagesgeschäfts.“ Dass die Regierung diesen Prozess initiierte, adelt die Prognosen. Auf ihrer Basis, so darf man annehmen, werden in naher Zukunft Entscheidungen gefällt, die uns alle angehen.
Eine der wichtigsten Veränderungen in den letzten Jahren wurde im Kanzleramt im Wandel des Selbstverständnisses unserer Arbeitsgesellschaft geortet: „Während die einen diesbezüglich ihre Berufswelt zunehmend als kreatives Improvisationstheater und Selbstverwirklichungsraum empfanden, fühlten sich viele andere ausgegrenzt und fremdbestimmt“, so der Protokollant. Es wirkt fast so, als sei hier unter den Experten die Meconomy beschrieben worden, darum soll diese Debatte hier in einem längeren Auszug wiedergegeben werden:
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass feste, stabile Dauerarbeitsplätze, noch dazu ein Leben lang, immer weniger werden. Arbeit wird nicht mehr begriffen als das, wohin man geht, sondern als etwas, das man kann – und das längst nicht mehr nur an einem Ort. Die Zukunft der Arbeit ist bunt, schillernd und riskant. Neue Berufsbilder sprießen ebenso aus dem Boden wie neue Arbeitsstrukturen. Einer der Trends in den letzten Jahren ging beispielsweise in Richtung Selbstunternehmer, welcher sein berufliches Schicksal selbst in die Hand nimmt, auch wenn die
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