Meconomy
des Rationalisierens und Automatisierens vor allem Kreativität gefordert. „Aber das Denken und die Ideenfindung kann man nicht beschleunigen, nur provozieren“, so Wippermann. „Das schöne amerikanische Wort ‚Serendipity‘ benennt die Rahmenbedingungen für Kreativität. Es ist nicht verplante Zeit in einer anregenden Umgebung. Genau dafür ist das Sommerhaus ideal.“
Die These wäre also nicht: Dörfer haben jetzt auch manchmal Internet – das wäre natürlich trivial. Sondern: Die kreativen Zentren der Zukunft liegen nicht notwendig im Urbanen. Vielmehr können sich gerade kleine Gemeinden als idyllischer Ort zum Leben und Arbeiten neu erfinden.
Von der Me- zur Weconomy
„When we change the way we communicate,
we change society.“
Clay Shirky
Allein oder gemeinsam?
Neulich hing in unserem Treppenhaus ein Zettel: „Liebe Nachbarn“, stand da, „es soll ein Straßenfest organisiert werden, wer macht mit?“ Normalerweise ignoriere ich so etwas, man hat ja auch so schon genug zu tun. Aber irgendwie fand ich den Gedanken diesmal nett. Ich arbeite ja seit einiger Zeit sehr viel daheim, trotzdem kannte ich kaum jemanden aus dem Haus, geschweige denn aus der Straße. Könnte man ja mal ändern, dachte ich. Vielleicht lag es auch ein bisschen daran, dass ich ja nun bald Vater würde, da macht man sich plötzlich Gedanken über Dinge wie Heimat, Heimeligkeit und hilfsbereite Nachbarn, die auch mal babysitten könnten. Wenn man sie denn kennen würde.
Also haben wir mitorganisiert. Endlose Planungsrunden durchgestanden, in denen überlegt wurde, welche Farbe die Dekoballons haben sollten, wie viel Spende man für Würstchen verlangt und in welchem Hof die Kinderklaviershow stattfinden könnte. Wir haben riesige Senf- und Ketchupflaschen aus dem Großmarkt besorgt und Pappteller. Am Tag des Festes habe ich mich zum Grilldienst eintragen lassen, ein kleiner Junge aus dem Haus war mein Assistent, öffnete Flaschen und kassierte die Spenden.
Was soll ich sagen? – Es hat Spaß gemacht. Die Straße war voller Leute, alle haben gegessen, getrunken, geredet. Man konnte mal in die Höfe der Nachbarn schauen, und tatsächlich grüße ich jetzt viele Straßenbewohner. Das übrig gebliebene Geld wurde für eine Kinderinitiative gespendet.
Kurzum, es war ein gelungenes Straßenfest, aber eben auch nur ein Straßenfest. Oder, der Gedanke kam mir, war das Fest und besonders meine Bereitschaft, es mitzuorganisieren, vielleicht das Anzeichen von etwas Größerem? Fingen in der Krise selbst wir als isoliert, individualistisch und egozentrisch geltende Großstädter an, gute alte Werte wie Gemeinschaftsgefühl, Nachbarschaftshilfe und Solidarität wiederzuentdecken? Und wie passte das zu meiner These der Meconomy, vom Trend hin zu Selbstverwirklichung und Individualisierung? Diese Frage musste geklärt werden, um sie soll es im letzten Teil dieses Buches gehen.
Solidarität in der Meconomy
Hat uns die Krise zu besseren Menschen gemacht? Der Hamburger Zukunftsforscher Horst Opaschowski ist davon überzeugt: „Aus der Gesellschaft der Ichlinge wird eine Gemeinschaft auf Gegenseitigkeit", fasst der Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen seine jüngste Studie mit dem Titel „Vision Deutschland. Neue Wege in die Welt von morgen“ zusammen. Die „Wiederentdeckung der Familie, die Wiederentdeckung der Freunde, das Comeback der guten Nachbarn“ hätten nun Vorrang. Im Leben nach der Wirtschaftskrise kommen für die Deutschen Familie und Freunde zuallererst, hat er herausgefunden – Geld und Reichtum stehen nicht mehr obenan.
Die Gesellschaft in Deutschland werde eine andere sein, ist der Forscher überzeugt – „eine selbstbewusstere und solidarischere Gesellschaft mit starken Bürgern“. Allerdings müssten die Weichen für die Welt von morgen schon heute gestellt werden, zitiert der Wissenschaftler aus der repräsentativen Zukunftsstudie – die pünktlich zum 60-jährigen Bestehen der Bundesrepublik und dem 30-jährigen Bestehen der Stiftung erschien.
„Jedes dritte Arbeitsverhältnis dauert kein ganzes Jahr mehr. Und viele Unternehmen können keine Jobgarantie mehr gewähren. Es gibt immer weniger Mitarbeiter, die einer Firma zeitlebens die Treue halten“, so Opaschowski. „Was man früher Betriebstreue nannte, die Loyalität zum Arbeitgeber, das gibt es nicht mehr. Ein Wir-Gefühl wird zwar erwartet, aber ist so gut wie nicht mehr da. In 20 Jahren wird nur noch jeder Zweite einen Vollzeitjob haben.“
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