Meconomy
anders wohnen und anders zusammenleben. Das Internet ist hierbei der Katalysator, weil Transaktionskosten für eine extrem flexible Nutzung verschiedenster Ressourcen gegen null sinken.
Klingt sehr abstrakt. Hast du konkrete Beispiele?
Sooth: Es werden flexiblere Mobilitätskonzepte zwischen reinem Individualverkehr und öffentlichen Transportmitteln entstehen. Daimler probiert im Projekt „Car2go” beispielsweise die absolut flexible Nutzung von Carsharing aus, mit Autos, die man nicht mehr an Sammelstellen abholen und abstellen muss, sondern im gesamten Stadtgebiet on demand nutzen kann. Ein anderer Bereich ist Couchsurfing, hier bieten Menschen in einer Web-Community kostenlose Unterkünfte für Reisende an.
Sind technische oder gesellschaftliche Veränderungen die Ursachen für solche Phänomene?
Sooth: Die Prinzipien des Netzes und von Netzwerken werden Vorbild sein für Veränderungen im realen Leben. Cloud Computing, dezentrale Strukturen, Peer2Peer-Kommunikation werden ihre Entsprechung im gesellschaftlichen Umgang miteinander finden. Access statt Eigentum wird nicht nur bei immateriellen Gütern die Nutzungsmöglichkeiten revolutionieren. Neue Technologien ermöglichen es uns, orts- und zeitunabhängig miteinander zu kommunizieren. Der einfache Zugang zu Gleichgesinnten überall auf der Welt über das Netz weckt das Bedürfnis, uns auch im alltäglichen, lokalen Umfeld mit den Leuten und Fragen zu beschäftigen, die uns wirklich interessieren und mit denen wir freiwillig Kontakt suchen. Die Gleichzeitigkeit von Aktionen, Verbindungen, Interessensphären wird weiter zunehmen.
Wir erfinden gerade unser Leben neu?
Sooth: Wir leben in interessanten Zeiten. Lange angenommene Strukturen und Verlässlichkeiten brechen weg, die eine Sicherheit vortäuschten, die es so nie gab. Im Gegenzug schränkten sie individuelle Freiheiten und Entwicklungsmöglichkeiten ein, indem sie die Unterwerfung unter ein hierarchisches, paternalistisches System verlangten. Für die neu zu gewinnenden Freiheiten braucht es aber natürlich auch neue Arten von Sicherheiten und ganz andere Unterstützungssysteme.
Nur die Politik hat das noch immer nicht erkannt oder verschließt die Augen davor. Wenn in den Wahlprogrammen der Parteien das Prinzip Vollbeschäftigung immer noch als höchstes Ziel deklariert wird, wenn auf der Website des Arbeitsministeriums im Bereich „Lebenslagen” die Freiberufler und Selbstständigen fehlen, wenn jenseits aller gesellschaftlichen Realität das Modell der lebenslangen Ehe immer noch das Maß aller sozialen Sicherungssysteme ist, dann wird deutlich, dass wir die Neuerfindung unseres Lebens selbst in die Hand nehmen müssen.
Zum Beispiel wie?
Sooth: Wir erziehen und bilden unsere Kinder immer noch für eine Industriegesellschaft, mit Menschen, die aus einer solchen kommen. Wir leben aber in einer Netzwerkgesellschaft, in der die ständige, flexible Neukombination unendlich viele neue Möglichkeiten bietet. Insofern sind neue Arbeitsformen wie Coworking eigentlich eine logische Konsequenz dieser Entwicklung. Da sind natürlich rückwärtsgewandte Instrumente wie die Abwrackprämie nur ein letztes verzweifeltes Aufbäumen der alten Strukturen. Man stelle sich vor, wie viel brachliegendes Potenzial eine Aktion „One Laptop Per Adult” hätte nutzbar machen können, wenn die Produktionsmittel der Wissensgesellschaft in die Hände der bisher abhängig Beschäftigten gegeben worden wären. „Baut kleine, geile Firmen auf”, sang schon Funny van Dannen.
Ist das Ganze nur ein Elitephänomen?
Sooth: Ich denke, das, was wir gerade erleben, ist ein Phänomen einer Avantgarde, nicht das einer Elite. Als ich 1996 mein erstes Mobiltelefon hatte, stieß ich größtenteils auf Unverständnis. Es war als „Yuppie-Statussymbol“ negativ angesehen. Wozu solle denn ein normaler Mensch ständig und überall erreichbar sein, wurde immerzu gefragt. Heute ist es selbstverständlich, sich sein Leben mithilfe dieses ständigen Begleiters zu organisieren. Meine Generation ist mitten im Wandel von der analogen in die digitale, vernetzte Welt aufgewachsen. Wenn ich mir ansehe, wie schnell und einfach man heute mit einem Facebook-Event ein Treffen organisiert hat oder mittels Google Docs mit auf der ganzen Welt verstreuten Menschen Texte oder Konzepte schreibt oder in Wikipedia Informationen zu jedem denkbaren Thema findet, und das mit der Welt von vor 1995 vergleiche, dann sehe ich trotz aller krampfhaften
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