Medea. Stimmen
empfindet mehr Lust bei seinen Redeergüssen, als wenn er bei einer Frau liegt. Seine Eitelkeit ist maßlos, er hat sie nicht in der Gewalt, mein übertriebenes Lob erregt ihn mehr als mein Körper, ich weiß das. Und warum auch nicht. Jede Frau nutzt die Gaben, die sie hat, um einen Mann an sich zu fesseln. Turon hat mir den Weg ins Königshaus geöffnet, Presbon zeigt mir den Weg, mich an Medea zu rächen. Denn natürlich war er es, der den Vorschlag machte, den wir dann in einer langen Nacht gemeinsam bis ins kleinste entwickelten, in einer Nacht, an deren Ende wir lustvoll miteinander schliefen. Genial war der Plan, weil er alle Möglichkeiten offenhielt. Medea würde beschuldigt werden, ihren Bruder Absyrtos in Kolchis getötet zu haben. Das würde Akamas die Handhabe geben, gegen sie vorzugehen, wenn er esdenn wollte, da er ja nun mal ihr wirkliches Vergehen, in ein innerstes Geheimnis von Korinth eingedrungen zu sein, nicht verwerten konnte. Wir beide übrigens, Presbon und ich, verhehlten uns unsere Schadenfreude darüber nicht, daß auch dieses wundervolle, reiche, seiner selbst so gewisse und hochmütige Korinth seine unterirdischen Gänge mit ihren tief verborgenen Geheimnissen hat. Für den gewöhnlichen Menschen mit seinen Schwächen lebt es sich besser unter Menschen, die auch ihre Schwächen haben.
Das mußten wir Akamas ja nicht spüren lassen. Am besten verschonten wir ihn mit bestimmten verzwickten Sachverhalten, in die seine Art zu denken sich nur zu gerne verheddert. Als er uns fragte, ob denn Medea wirklich ihren Bruder umgebracht habe, antworteten wir verabredungsgemäß, dieses Gerücht, das damals in Kolchis umlief, sei jedenfalls niemals widerlegt worden, auch Medea habe ihm nie widersprochen. Akamas begann laut zu denken, um uns Gelegenheit zu geben, seine Einwände zu zerstreuen. Aber das alles sei doch so lange her, und es betreffe doch eigentlich nur die Kolcher. Die allerdings stünden unter dem Schutz des Königs von Korinth, der ihnen wohl seinen Beistand nicht versagen werde, wenn sie ernstlich das Bedürfnis zeigen sollten, altes Unrecht endlich zu tilgen. Immerhin, ein solcher Schritt wolle gründlich bedacht sein. Er müsse sich auf unsere absolute Verschwiegenheit gegenüber jedermann verlassen können. Das sagte er drohend. Wir wußten beide, eine Veränderung der Lage zugunsten Medeas würde uns in Gefahr bringen. Wir haben ein starkes Interesse daran, daß Medeas Lage sich verschlechtert. Akamas weiß das. Er verachtet sich unduns dafür, daß sein Interesse sich mit dem unseren deckt, wir wissen das, und er weiß, daß wir es wissen. Unsere Beziehungen werden allmählich bodenlos, und ich habe meinen Spaß daran. Eindeutige Beziehungen langweilen mich zu Tode.
Wir brauchten ja nur die Augen offenzuhalten, Medea selbst ging Schritt für Schritt ins Netz, wir mußten nur dafür sorgen, daß Akamas von jedem ihrer Schritte erfuhr, nicht durch uns, versteht sich. Daß dem Akamas klar wurde, Medea gab nicht auf; vorsichtig zwar, doch beharrlich trieb sie ihre Nachforschungen weiter, verschaffte sich nach und nach Zugang zu allen Leuten in Korinth, von denen sie sich eine Auskunft über jenen verborgenen Fund versprach, den sie in jenem unterirdischen Gang gemacht haben muß und dessen Beschaffenheit ich ahne. Doch hüte ich mich, mir ein Sterbenswörtchen darüber entschlüpfen zu lassen, nicht einmal in meinem innersten Innern erlaube ich mir, meiner Ahnung Worte zu geben. Und manchmal fasse ich den Leichtsinn nicht, mit dem sie vorgeht.
Sie ist nicht davor zurückgeschreckt, sich heimlich mit der Königin zu treffen, in jenem alten Teil des Palastes, den sonst jedermann meidet. Als Akamas davon erfuhr – diesmal übrigens ohne unser Zutun, er hatte seine eigenen Quellen –, sah ich ihn endlich wütend. Jetzt könne er Medea nicht mehr schützen. Und uns wolle er nicht länger zumuten, unser Wissen für uns zu behalten. Es war ein Augenblick zwischen Schrecken und Freude.
Wir beide, Presbon und ich, kamen überein, nur je einer Person von dem Verdacht gegen Medea zu erzählen. Wir waren neugierig, wie schnell das Gerücht sichverbreiten würde. Nach zwei Tagen wußten alle Kolcher davon, aber nur wenige Korinther, die übrigens eine gewisse Unlust zeigten, sich mit den alten unappetitlichen Angelegenheiten der Kolcher überhaupt zu befassen. Jason natürlich, der geriet sofort in Panik. Aber auch Medea zeigte Wirkung, zu meiner Genugtuung, versteht sich. Sie hielt es für
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