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ging man davon aus, daß »der Wirtschaftsimperialismus amerikanischer Geschäftsinteressen unter dem Deckmantel eines wohlmeinenden und onkelhaften Internationalismus ... den Versuch unternimmt, uns aus dem Feld zu drängen«. Richard Law, Staatssekretär im britischen Außenministerium, kommentierte die Überzeugung der Amerikaner, daß »die Vereinigten Staaten für etwas in der Welt stehen - etwas, dessen die Welt bedarf und das ihr gefallen wird, etwas, das die Welt schließlich annehmen wird, ob es ihr nun gefällt oder nicht«. 45 Eine durchaus realistische Einschätzung.
Gegen welche Feinde - abgesehen von den Briten und anderen Marktrivalen - mußte die Grand Area verteidigt werden? Auf der rhetorischen Ebene war das die Sowjetunion, und es besteht kein Zweifel daran, daß die Abneigung echt, wenngleich, wie die wissenschaftliche Literatur betont, übertrieben war. Aber es geht nicht um die Ernsthaftigkeit der amerikanischen Gefühle; man glaubt das, was man glauben will, und die Sachwalter des Staats akzeptieren die von ihnen aus ganz anderen Gründen entworfenen Bedrohungsszenarien gerne als Realität.
Immerhin war die Sowjetunion tatsächlich eine Bedrohung für die Grand Area., weil sie sich weigerte, diesen globalen Rahmen anzuerkennen und andere, ähnlich widerstrebende Staaten unterstützte. Aber die Bedrohung reichte noch tiefer und rechtfertigte strenge Verteidigungsmaßnahmen. Woodrow Wilson »und seine Verbündeten verstanden ihre Aktionen eher als defensive denn als offensive Vorgehens-weise«, als sie nach der bolschewistischen Revolution Invasionstruppen in die UdSSR schickten, meint John Lewis Gaddis zustimmend. Wilson war »vor allem entschlossen, Rußland die Selbstbestimmung zu sichern«, wohl, indem er zu bestimmen gedachte, wer dort herrschen sollte. Dieser Logik zufolge wären die Vereinigten Staaten auch an der Selbstbestimmung Vietnams, Guatemalas und Nicaraguas interessiert gewesen, während die Sowjetunion bereit war, den Tschechen und Afghanen dieses Recht zu gewähren. Aber Gaddis sieht noch einen tieferen Grund für die Intervention: Es war »die Reaktion auf einen profunden und potentiell weitreichenden Eingriff der neuen Sowjetregierung in die inneren Angelegenheiten nicht nur des Westens, sondern praktisch aller Länder der Welt«. Damit meint er, daß »die Revolution in kategorischer Art und Weise das Überleben der kapitalistischen Ordnung in Frage stellte«. Mithin war 1917 »die Sicherheit der Vereinigten Staaten ... in Gefahr« und Abwehrmaßnahmen gerechtfertigt, vielleicht gar der erste Einsatz von Gasbomben per Flugzeugabwurf, der vom Britischen Generalhauptquartier 1919 für den entscheidenden Faktor ihrer frühen militärischen Erfolge gehalten wurde. Im selben Jahr empfahl Außenminister Winston Churchill »Giftgas« für den Einsatz gegen »unzivilisierte Stämme« in Mesopotamien (dem heutigen Irak) und Afghanistan. 46
Die von der Sowjetunion »verkündete Absicht«, so Gaddis weiter, »in der ganzen Welt den Sturz kapitalistischer Regierungen zu betreiben«, habe die Intervention als Verteidigung gegen diese Absichtserklärung gerechtfertigt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg habe »der zunehmende Erfolg kommunistischer Parteien in Westeuropa, dem östlichen Mittelmeerraum und China« das erneute »Mißtrauen gegen das Verhalten der Sowjetunion« befördert, auch wenn die Popularität der Kommunisten sich »vor allem ihrem wirkungsvollen Widerstand gegen die Achsenmächte verdankte«.
Gaddis kritisiert sowjetische Historiker, die die Intervention des Westens nach der Revolution als »schockierende Verletzung internationaler Rechtsnormen« betrachten. Man könne nicht, meint er, die Invasion verurteilen, während zugleich »die revolutionärste Herausforderung des Jahrhunderts an den Westen erging«: die Veränderung der Gesellschaftsordnung in der UdSSR und die Verkündung revolutionärer Ab-sichten. 47
Die USA haben gegenüber der Sowjetunion zwei Varianten des »Containment« betrieben: die Rollback-Strategie und die Abschreckung. Der ständige Wechsel zwischen diesen Varianten ergab sich zum einen aus dem Problem, die ausgedehnten Gebiete, die der »Verteidigung« oblagen, zu kontrollieren, zum anderen aus der Notwendigkeit, eine glaubhafte Bedrohung vorweisen zu können, um die Öffentlichkeit zur Subventionierung neuer Technologien im Dienste militärischer Überlegenheit zu motivieren. 48 Dieses Problem wurde vom Dokument NSC 68 des Nationalen
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