Media Control
Entwicklungshilfe-Organisation Oxfam, die in 77 Staaten arbeitet und den sandinistischen Führern »außerordentliche« Anstrengungen bescheinigte, »die Lage der Bevölkerung zu verbessern und ihre aktive Beteiligung am Entwicklungsprozeß zu fördern«. Ebenso sprach sich der Begründer der Demokratie in Costa Rica, José Figueres, für die Sandinisten aus: »Ich kenne die Verhältnisse in Nicaragua seit Jahrzehnten ... und habe keine Regierung gesehen, der es so sehr um das Wohl der Bevölkerung geht wie dieser.« Die Vereinigten Staaten, deren »unglaubliche Verfolgungspolitik« er verurteilt, sollten den Sandinisten erlauben, »das friedlich begonnene Werk zu Ende zu führen; sie verdienen es«. 119 Solche Kommentare sind ideologisch nicht von Nutzen und werden aus den Medien verbannt, wobei der gute Ruf von Figueres noch, wie bei James LeMoyne von der New York Times, für den anti-sandinistischen Kreuzzug herhalten muß, ohne daß erwähnt würde, was er wirklich zu Nicaragua zu sagen hat. 120
Statt dessen erfahren wir, was LeMoyne dort sieht und erlebt, nämlich einen brutalen Unterdrückerstaat, in dem »eine Partei herrscht«, die Straßen »voller Kinder mit Hungerbäuchen« sind, wo es von Sicherheitsagenten und Soldaten nur so wimmelt, während die »Bauernarmee« in ihrem Kampf gegen die Sandinisten zunehmende Fürsprache erfährt und die Bevölkerung in »Bitterkeit und Apathie« dahinlebt. Was Figueres sah, interessiert ebensowenig wie der Bericht des ehemaligen (von der CIA ernannten) Pressesprechers der Contras, Edgar Chamorro, der Nicaragua kurz vor LeMoyne drei Wochen lang besucht hatte. Er fand die Menschen »sehr bewußt, politisch gebildet, engagiert«, während die Contras die »koloniale Mentalität« derer besitzen, die »für das Empire kämpfen«. Chamorro sah eine eher »geringe Militarisierung«, hingegen gebe es »ein ausgeprägtes Gefühl für Gleichheit ... eine der Errungenschaften der Revolution.« Die Bevölkerung hungere nicht, »die meisten Leute sehen gesund und kräftig aus«. Die Wahlen seien »gut« gewesen, die Regierung sei rechtmäßig im Amt, und wir sollten »die Dinge von innen her verändern«. An anderer Stelle erwähnt Chamorro, daß ihm nach seinem Abschied von den Contras der Zugang zu den Medien wesentlich erschwert worden sei. 121
Ein Jahr später breitete sich in Managua und einigen ländlichen Gebieten tatsächlich Unterernährung aus: Der Terror- und Wirtschaftskrieg der USA forderte seine Opfer. Nicaragua ist arm und hängt aus historischen und geopolitischen Gründen wirtschaftlich völlig von den Vereinigten Staaten ab. Den Reaganisten (George Shultz, Elliott Abrams und ihren Kohorten) gelang es zwar nicht, die Regierung zu stürzen, aber sie konnten die wohlfahrtsstaatlichen Programme, die der Bevölkerungsmehrheit dienten, zu Fall bringen, was sich an der erheblichen Zunahme von Epidemien, der wachsenden Kindersterblichkeit und anderen Indikatoren der »mittelamerikanischen Verhältnisse« ablesen läßt, zu denen Nicaragua dank des Wohlwollens der USA zurückkehrt. 122
Sprechen wir noch einmal über die 85 Kommentare in der New York Times und der Washington Post. Interessanter als die einhellige Feindseligkeit gegenüber den Sandinisten war die Wahl der Themen. Die nicaraguanische Regierung unterscheidet sich nämlich in zwei wichtigen Punkten von den mittelamerikanischen Lieblingen der USA, die den »regionalen Maßstäben« entsprechen. Zum einen haben die Sandinisten, was immer ihre Sünden auch sein mögen, keinen Terrorkrieg gegen die Bevölkerung geführt, was in den amerikanischen Medien unterschlagen wird. Zum zweiten haben die Sandinisten Umverteilungs- und Sozialstaatsprogramme solange erfolgreich durchgesetzt, bis die wirtschaftlichen und militärischen Gegenmaßnahmen der USA diese unliebsame Entwicklung aufhalten konnten. Das wird in zwei Kommentaren mit Nebensätzen erwähnt. Gleichfalls verschwiegen werden die Bemühungen der Sandinisten um politische Neutralität. Als das Embargo verhängt wurde, entsprach das Handelsvolumen Nicaraguas mit Staaten des Sowjetblocks dem der USA und war niedriger als das der meisten Drittweltländer. 123
Aber vielleicht sind diese Beispiele vom Höhepunkt der Debatte irreführend. Prüfen wir also, wie es ein Jahr später aussah. In der ersten Hälfte des Jahres 1987 druckten die New York Times und die Washington Post 61 Kommentare, die sich mit der Nicaragua-Politik der USA beschäftigten. Dreizehn davon
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