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mit dem Verweis auf »fortschrittliche« Reformen bedacht, ohne daß eine Analyse der Probleme versucht worden wäre. Auch »nicaraguanische Themen wie die Auswirkungen des Kriegs, die Programme der Sandinisten und ihre Unterstützung durch die Bevölkerung wurden von den Medien nicht aufgegriffen«. Die meisten Berichte »hatten ihre Quelle in Washington« und vertraten widerspruchslos die Reagan-Doktrin. So wurde über Freiheitskämpfer (Contras) lamentiert, die nur mit »Stiefeln und Bandagen« gegen gut entwickelte sowjetische Waffen und von Kubanern gelenkte Helikopter antreten mußten, über Gewehre für kolumbianische Terroristen, über Subversion von Chile bis Guatemala, über kubanische Soldaten, die »haufenweise in den Straßen von Managua flanieren«, usw. Insgesamt, so Spence, hat die New York Times »die Perspektive [der Reaganisten] übernommen« und die Anschuldigungen gegen die Sandinisten »ohne weitere Beweise« wiederholt. Hin und wieder jedoch hat ein Reporter »der Ausgewogenheit halber eine Zeile eingefügt, die den Hintergrund aufhellt«. Er kommt zu dem Schluß: »Es war so, als hätte die New York Times ein Softwareprogramm, das bei seltenen Gelegenheiten einen ›Ausgewogenheitsfaktor‹ aktiviert, der die Reportage davon abhält, auf halbem Weg stehenzubleiben.« Ansonsten durfte die Taktik Reagans kritisiert werden, aber nichts darüber hinaus.
Bekanntlich kann durch Auswahl der Quellen extreme Einseitigkeit hinter einer Fassade scheinbarer Objektivität verborgen werden. Der Medienspezialist Lance Bennett (Universität Washington) hat die Streubreite zugeschriebener Nachrichtenquellen in der New York Times und der Presse von Seattle für den Monat September 1985 ausgewertet. In der Berichterstattung der New York Times über El Salvador standen über 80 Prozent der Quellen der Regierung nahe; 10 Prozent stammten von der Opposition. Im Hinblick auf Nicaragua war das Verteilungsmuster genau umgekehrt: Über zwei Drittel der ausgewählten Quellen waren regierungskritisch, weniger als 20 Prozent regierungsfreundlich. Die lokalen Medien in Seattle boten ein ähnliches Bild. Trotz des vorgeblichen Unterschieds folgte die Auswahl der Quellen in beiden Fällen den gleichen Kriterien: Das Übergewicht lag bei der US-Regierung und ihren Verbündeten und Vasallen. Bennett gelangte zu dem Schluß: »In beiden Ländern kam die Bevölkerungsmehrheit - Bauern, Stadtbewohner, Arbeiter und Kaufleute - in der Berichterstattung der US-amerikanischen Presse über ihr Leben gar nicht zu Wort.«
Bennett sah die Gründe für diese Diskrepanz in der Neigung, sich auf »leicht zugängliche ›offizielle‹ Quellen« und andere »institutionelle Faktoren« zu verlassen. Das ist plausibel, aber auch ein wenig irreführend. So sind oppositionelle Quellen in Nicaragua natürlich leicht aufzutreiben, weil sie sich dort, trotz mancher Schwierigkeiten, offen äußern können, während Regierungskritiker in Guatemala und El Salvador von Sicherheitskräften ermordet wurden oder fliehen mußten; ein durchaus wichtiger Unterschied, den die Presse verschwieg oder gar ins Gegenteil verkehrte. Bei der Berichterstattung über Afghanistan war der Kreml eine »leichter zugängliche« Quelle als die Guerillakämpfer in den Bergen, dennoch bezogen sich die Reportagen richtigerweise vor allem auf ihre Äußerungen. In Nicaragua wurde über den Krieg vor allem aus der Sicht der Contras berichtet, während man in El Salvador oder Guatemala den Standpunkt der Guerilleros unberücksichtigt ließ. Überdies werden wichtige Quellen oft einfach unterdrückt. 147 Das gleiche gilt für Untersuchungen über Flüchtlinge, bei denen meist politische Prioritäten den Ausschlag geben und nicht die Zugänglichkeit von Quellen. 148 Die »institutionellen Faktoren« sind nicht ohne Bedeutung, aber letztlich gibt die doktrinären Erfordernissen geschuldete bewußte Auswahl den Ausschlag. 149
In seiner Untersuchung der Berichterstattung über Nicaragua Anfang 1986 kam Spence zu ähnlichen Ergebnissen.
Hauptquellen waren die US-Regierung und die Contras, denen zusammen mit der politischen Opposition doppelt so viel Raum in den Kommentaren und Reportagen gewidmet wurde wie der nicaraguanischen Regierung. Viel Aufmerksamkeit erhielten auch die COSEP (eine Organisation von Geschäftsleuten) und die mit US-Geldern finanzierte Oppositionszeitung La Prensa. Insgesamt wurden die Regierungsgegner mit großer Sympathie bedacht; nur einer von 33 Berichten
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