Media Control
Demokratie ausging.
Mithin bestätigt auch die zweite Beispielsammlung zur Berichterstattung über die Nicaragua-Politik die Erwartungen des Propaganda-Modells: Die öffentliche Meinung zumindest der entscheidenden Segmente der Bevölkerung muß im Zaum gehalten werden.
IV. Über Medien als Regierungsassistenten
»Es ist sehr interessant«, bemerkte Senator William Fulbright anläßlich einer Anhörung des Senats zum Thema Medien und Regierung 1966, »daß so viele unserer herausragenden Zeitungen beinahe zu Agenten oder Assistenten der Regierung geworden sind und ihre Politik weder anfechten noch hinterfragen.« 141 Diese Bemerkungen sind nicht ganz zutreffend, weil die Medien so willfährig sich nicht verhalten; doch hinterfragen sie die Regierungspolitik ausschließlich innerhalb des Rahmens der gemeinsamen Machtinteressen von Staat und Wirtschaft. Differenzen zwischen Eliten finden in den Medien ihren Niederschlag, 142 aber die eng gezogenen Grenzen des Konsenses werden nur selten überschritten. Es ist wahr, daß die amtierenden Staatsverwalter normalerweise bestimmen, was die Medien zum Thema machen. Aber wenn die Politik versagt oder den Machtinteressen zu schaden scheint, werden die Medien die Regierung »anfechten« und andere Mittel zur Verwirklichung von Zielen vorschlagen, die ihrerseits allerdings unhinterfragt bleiben, sofern sie überhaupt bewußt reflektiert werden.
Um das zu illustrieren, hatte ich an einigen Beispielen gezeigt, wie die Medien das Regierungsprojekt »Dämonisierung der Sandinisten« stützten und zugleich die Terrorstaaten in Mittelamerika priesen. Trotz meiner in jahrelanger Beschäftigung mit den Medien entwickelten Skepsis hatte ich nicht erwartet, daß sie dieser Herausforderung gewachsen sein würden. Als ich 1985 die reaganistischen Desinformationsprogramme in Sachen Mittelamerika beschrieb, verglich ich Nicaragua nicht mit El Salvador und Guatemala, um die Heuchelei (oder Lügenhaftigkeit) der
Vorwürfe nachzuweisen, weil ich die Intelligenz meiner Leser nicht beleidigen wollte. Statt dessen bezog ich die gegen Nicaragua erhobenen Anschuldigungen auf das Verhalten der israelischen »Musterdemokratie« zu jener Zeit und den Aktionen der Vereinigten Staaten unter Kriegsbedingungen, um zu zeigen, daß die Sandinisten angesichts dieser - zugegebenermaßen nicht sehr beeindruckenden - Maßstäbe höchst achtbar verfuhren. 143 Aber ich hatte die Medien unterschätzt. Innerhalb eines Jahres war es ihnen gelungen, die mörderischen US-Vasallen als (wenngleich leicht fehlerhafte) Demokratien darzustellen, während die sandinistische Bewegung in Nicaragua zur Inkarnation des Bösen geworden war. Das bestätigen nicht nur meine im letzten Kapitel beschriebenen Untersuchungen, sondern auch die Forschungen des Politologen Jack Spence, der die allgemeine Berichterstattung in den Medien sowie 181 in der New York Times zum Thema Nicaragua veröffentlichte Artikel aus dem ersten Halbjahr 1986 analysierte. 144
Spence kommt zu dem Ergebnis, daß Mittelamerika praktisch ignoriert wurde, bis die USA sich 1978 herausgefordert fühlten. Von 1969 bis 1977 widmete das Fernsehen Nicaragua insgesamt eine Stunde Sendezeit, die ausschließlich dem Erdbeben von 1972 galt. Ignoriert wurden auch die Wahlen von 1972 in El Salvador, wo der augenscheinliche Sieg der Reformkräfte um José Napoleon Duarte durch Betrug und Intervention der US-Vasallen in Nicaragua und Guatemala zugunsten der Vorherrschaft der Militärs vereitelt wurde. Da die Interessen der USA in El Salvador gewahrt blieben, gab es ebensowenig die Notwendigkeit, eine »Demokratie« zu errichten wie 1984 in Panama, als der berüchtigte Drogenhändler General Noriega, damals noch US-Protégé, die Wahlen ebenfalls durch Betrug gewann. George Shultz huldigte ihm durch die Anwesenheit bei der Amtseinführung und pries die Wahl als »Triumph der Demokratie, dem Nicaragua nacheifern sollte«, obwohl er zuvor von der CIA und dem US-Botschafter informiert worden war, daß »Noriega mehr als 50000 Wahlzettel gestohlen hatte, um seine Kandidaten durchzusetzen«. 145
Während der siebziger Jahre ließen die Medien die wachsende Krise im Erwerb von Grundbesitz, die zu erheblichen sozialen Spannungen führte, unerwähnt. 146 Im ersten Halbjahr 1986 fand sich in den 181 Artikeln der New York Times über Nicaragua ein einziger Satz, der den Problemen des Landbesitzes und -erwerbs in Nicaragua gewidmet war, und die Agrarpolitik wurde nur hin und wieder
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