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Iran zugunsten der USA entschied), und behauptete: »Sogar die Mehrheit [des Gerichtshofs] erkannte an, daß vorangegangene Angriffe Nicaraguas auf El Salvador die ›Kollektive Verteidigung‹ zur möglichen Rechtfertigung für Amerikas Vergeltungsschläge machen könnten.« Der Kommentar suggerierte, daß die USA aufgrund der nicaraguanischen Aggression »Vergeltung« geübt habe, erwähnte aber nicht, daß der Gerichtshof »kollektive Selbstverteidigung« als Rechtfertigung explizit zurückgewiesen hatte. Überdies wurden die Anschuldigungen gegen Nicaragua vom Gerichtshof nach Bewertung der von den USA vorgelegten Beweisdokumente für grundlos erachtet. In einem Meinungsbeitrag, der am 17. Juli abgedruckt wurde, äußerte Thomas Franck von der New York University Law School, die Vereinigten Staaten könnten die Entscheidung des Weltgerichtshofs unbeachtet lassen, weil »Amerika - ob es nun allein oder mit seinen Verbündeten handelt - immer noch frei sein muß, die Freiheit zu verteidigen«. Wie etwa in Nicaragua. 156
Wenn es indes um die Vergehen von offiziellen Feinden geht, lassen sich Regierung und Medien der USA in ihrem Ruf nach der Herrschaft des Gesetzes und diplomatischen Verhandlungen von niemandem übertreffen. Darum mußten die Vorgänge vom Sommer 1986 sorgfältig für die öffentliche Wahrnehmung aufbereitet werden. Bis Juni wurde lang und breit über Nicaraguas Weigerung, dem Vertragsentwurf der Contadora-Staaten [Mexiko, Panama, Kolumbien und Venezuela] zuzustimmen, berichtet. Im Mai brachte die New York Times einen ausgedehnten Bericht von Stephen Kinzer, in dem Präsident Ortega kritisiert wurde, weil er den Vertrag nicht ohne bestimmte Zusicherungen aus Washington unterschreiben wollte. 157 Ein paar Wochen später war der Contadora-Entwurf gestorben. Mitte Juni zogen die US-Vasallenstaaten ihn auf Anweisung der Vereinigten Staaten zurück. Die US-Presse schwieg dazu. Am 21. Juni erklärte Nicaragua sich bereit, dem Vertrag zuzustimmen. Die Washington Post ignorierte diese Renitenz, während die New York Times in der Sparte »Aus aller Welt« zwei Glossen brachte, die im wesentlichen die Haltung der Regierung Reagan wiedergaben.
Für die Assistenten der Regierung bestimmt sich der Wert von Nachrichten gemäß ihrem Nutzen für die ideologische Kriegführung.
Ein paar Tage später erfolgte das bereits erwähnte Urteil des Weltgerichtshofs, woraufhin der Kongreß 100 Millionen Dollar Militärhilfe für die Contras bewilligte. Regierungsvertreter äußerten sich mit Genugtuung: »Hier geht es um die Sache. Es ist ein echter Krieg.« 158
Nunmehr brachte Nicaragua die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat, wo die Vereinigten Staaten (bei elf Jastimmenund drei Enthaltungen) ihr Veto gegen eine Resolution einlegten, die alle Staaten aufforderte, die Normen des internationalen Rechts zu beachten. Daraufhin wandte sich Nicaragua an die Generalversammlung, die mit 94 gegen 3 Stimmen (USA, Israel, El Salvador) die Entscheidung des Weltgerichtshofs bestätigte. Die Abstimmung im UN-Sicherheitsrat war der New York Times eine kurze Notiz wert, nicht jedoch die in der Generalversammlung. In derselben Sitzung rief Nicaragua die UN auf, eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Zwischenfällen an die Grenze nach Honduras zu entsenden. Honduras wies, unterstützt von den USA, den Vorschlag zurück; Medienberichte darüber gab es nicht - das Schicksal aller nicaraguanischen Bemühungen um eine internationale Überwachung der Grenzen. Ein Jahr später, am 12. November 1987, forderte die Generalversammlung erneut die »vollständige und sofortige Befolgung« der Entscheidung des Weltgerichtshofs; diesmal legten nur Israel und die USA ihr Veto ein. Dennoch war es ein weiterer Rückschlag für die mittelamerikanischen Übereinkünfte, die, sehr zum Unmut Washingtons, im August unterzeichnet worden waren. In der New York Times, der Washington Post und den drei TV-Netzwerken wurde über die Abstimmung nicht berichtet. Auch weitere Mahnungen des Weltgerichts-hofs an die USA, die geforderten Reparationszahlungen an Nicaragua zu leisten, fanden kein Echo in den Medien. 159
Die Reaktion von US-Regierung und Medien auf die in internationalen Institutionen sich nieder-schlagende Weltmeinung verdient nähere Aufmerksamkeit. Die Sitzung der UN-Generalversammlung vom 26. Dezember 1987 bietet dafür anschauliche Beispiele. Während sich alle Augen auf den Gipfel von Washington, den Vertrag zur Reduzierung von
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