Media Control
Errungenschaft. 152
Im Falle Nicaraguas war das Muster etwas anders. Hier braute die Staatspropaganda irgendwelche Vorwürfe zusammen, die von den Medien dann an herausgehobener Stelle und unhinterfragt verbreitet wurden. Erschienen ihnen die Anschuldigungen als zu abstrus, gab es im Innenteil ein kleines Dementi, oftmals jedoch nicht einmal das, obwohl man die Haltlosigkeit der Geschichte erkannt hatte. Dabei geht es um mehr als Pflichtverletzung, Inkompetenz oder Dienst an der Macht. Die den Staatsterroristen in den »jungen Demokratien« gewährte Protektion war der Schleier, hinter dem sie, unterstützt von den USA, ihre Greueltaten begehen konnten, während die Parteinahme für die Contras die Durchsetzung der reaganistischen Programme - Terror und Wirtschaftskrieg - begünstigte, die den sozialen und ökonomischen Fortschritt in Nicaragua in sein Gegenteil verkehrten, was den Medien Anlaß gab, die »Unfähigkeit« und Böswilligkeit der Sandinisten zu bespötteln. So waren sie willige Helfershelfer bei massiven Gewalt- und Unterdrückungsmaßnahmen. 153
Um die Öffentlichkeit über die Lage der Dinge in Mittelamerika während der kritischen Periode Anfag 1986 besser zu informieren, brachte das Sonntagsmagazin der New York Times im April als Titelgeschichte eine Analyse von James LeMoyne zu den Hintergründen für den Aufstieg des »Guerilla-Netzwerks«. 154 LeMoyne hebt hervor, daß »praktisch jede Studie über diese Region ... zu dem Schluß gelangte, daß die Revolutionen in Mittelamerika vor allem durch jahrzehntelange Armut, blutige Unterdrückung und fehlgeschlagene politische Reformversuche verursacht worden sind«. Außerdem würde natürlich jede seriöse Studie zu dem Schluß kommen, daß die Vereinigten Staaten eine gewisse Verantwortung für diese Situation und damit auch für den Aufstieg des »Guerilla-Netzwerks« tragen, aber das erwähnt LeMoyne nicht. Er spricht über die Rolle Kubas, der Sowjetunion, Nordkoreas, der PLO, Vietnams usw., bedenkt einen der Hauptakteure jedoch nur mit dem Satz, daß »die Vereinigten Staaten die salvadorianische Armee unterstützten, auf Wahlen bestanden und einige Reformen forderten«. Kein Wort darüber, daß die von uns »unterstützte« Armee Folterungen und Massaker beging, um »die Organisationen des Volks, das für seine fundamentalsten Menschenrechte kämpfte«, zu zerstören. So formulierte es Erzbischof Romero kurz vor seiner Ermordung, als er Präsident Carter vergeblich bat, jene Kräfte, »die lediglich das Volk unterdrücken und die Interessen der salvadorianischen Oligarchie verteidigen«, nicht zu fördern.
Diese Verbindung von geschichtlicher Ignoranz und Lobgesängen auf unsere guten Absichten ist typisch für die Medien. Dazu ein weiteres Beispiel: In einer früheren Titelgeschichte des Sonntagsmagazins der New York Times erörterte Tad Szulc die »radikalen Strömungen in der Karibik« und bemerkte, daß »die Wurzeln der karibischen Probleme nicht nur in Kuba liegen«; schuld daran sind neben der »sowjetischen Offensive« auch die Folgen »kolonialer Gier und Mißwirtschaft« der europäischen Mächte. Den Vereinigten Staaten könne man lediglich »Gleichgültigkeit« gegenüber den wachsenden Problemen vorhalten. Kaum jemand scheint bereit, dem ehemaligen Präsidenten Costa Ricas, Daniel Oduber, zuzuhören, der meinte, daß die »Verbrecher«, die »das Leben der Mittelamerikaner und ihrer Familien bedrohen ... keine leninistischen Kommissare sind, sondern die in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Offiziere«. 155
Spence bemerkt, daß »die bevorstehende wichtige Entscheidung des Weltgerichtshofs [die am 27. Juni 1986 gefällt wurde] in den ihr vorangehenden 171 Berichten [über Nicaragua] keine Erwähnung fand«. Der Gerichtshof verurteilte dann die Vereinigten Staaten wegen ihrer Unterstützung der Contras und des unrechtmäßigen Wirtschaftskriegs. Die USA wurden aufgefordert, die fortgesetzte Verletzung internationaler Rechtsnormen und gültiger Verträge zu beenden und Reparationen zu zahlen. Über die Entscheidung wurde zwar berichtet, doch galt sie nur als kleines Ärgernis. Ihr Inhalt wurde verschwiegen oder verfälscht, der Weltgerichtshof als Buhmann hingestellt und die Herrschaft des Gesetzes als auf die USA nicht anwendbar erachtet.
In ihrem Kommentar vom 1. Juli diskreditierte die New York Times den Weltgerichtshof als »feindseliges Forum« (das natürlich gar nicht »feindselig« war, als es im Fall der Geiselnahme im
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