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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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auffallend sein. Eichenholz aus dem Kern des Stammes ergäbe Grau, aber nach dem ewigen Schwarz sei Grau zu gedämpft. Ahorn oder Sumachrinde führte zu Gelb oder Orange, doch das seien leichtfertige Farben. Braun bot sich an. »Ich habe mein Leben lang nußschalenbraune Kleider getragen«, murrte sie vor ihrem Vater.
    Am nächsten Tag brachte er ihr einen Topf mit einer gelblichen Paste, die wie leicht ranzige Butter aussah. »Das ist ein Farbstoff, ein sehr teurer.«
    »Diese .Farbe ist aber nicht gerade bewundernswert«, meinte sie vorsichtig.
    James Cullen lächelte. »Sie heißt Indigoblau. Die Paste löst sich im Wasser auf, und du musst darauf achten, dass du sie nicht auf die Hände bekommst. Wenn der feuchte Stoff aus dem gelben Wasser herausgenommen wird, wechselt er an der Luft die Farbe, die dann waschecht ist.«
    Der Wollstoff erhielt einen satten, tiefblauen Ton, wie sie ihn noch nie gesehen hatte, und die Schneiderin schnitt ein Kleid und einen Mantel zu. Die fertigen Kleidungsstücke gefielen Mary, aber sie faltete sie zusammen und bewahrte sie bis zum Morgen des 10. April auf, an dem Jäger die Nachricht nach Gabrovo brachten, dass der Weg durch die Berge endlich offen sei.
    Am frühen Nachmittag trafen alle Leute in Gabrovo ein, die überall in der Umgebung auf das Tauwetter gewartet hatten, denn die Stadt war der Ausgangspunkt für den großen Paß, dem Tor zum Balkan.
    Lebensmittelhändler boten ihre Waren an, und die Massen drängten sich um sie und kämpften darum, Vorräte zu kaufen.
    Mary musste der Frau des Wirtes Geld geben, damit sie während dieser turbulenten Stunden Wasser über dem Feuer erhitzte und es in die Schlaf räume der Frauen hinauftrug. Zuerst kniete Mary vor dem hölzernen Bottich, um sich die Haare zu waschen, die jetzt lang und dicht waren wie ein Winterpelz. Dann kauerte sie sich in den Bottich und schrubbte sich, bis sie glühte.
    Sie zog die neuen Kleidungsstücke an und setzte sich vors Haus. Während ihr Haar an der Sonne trocknete, kämmte sie es mit einem Holzkamm. Sie sah, dass die Hauptstraße von Gabrovo voller Pferde und Wagen war.
    Dann galoppierte eine Horde betrunkener Männer auf Pferden durch die Stadt, ohne sich um die Verwüstungen zu kümmern, welche die stampfenden Hufe der Reittiere anrichteten. Ein Wagen wurde umgeworfen, die Pferde verdrehten ängstlich die Augen und bockten und scheuten. Während die Männer fluchten und sich bemühten, die Zügel festzuhalten, und die Pferde wieherten, lief Mary ins Haus, obwohl ihr Haar noch nicht ganz trocken war.
    Als ihr Vater mit seinem Diener Seredy erschien, hatte sie ihre Habseligkeiten schon gepackt.
    »Wer waren diese Männer, die durch die Stadt gestürmt sind?« fragte sie.
    »Sie nennen sich christliche Ritter«, antwortete ihr Vater kalt. »Es sind beinahe achtzig Franzosen aus der Normandie hier, die nach Palästina pilgern.«
    »Sie sind sehr gefährlich, Lady«, ergänzte Seredy. »Sie tragen zwar nur leichte Kettenhemden, aber sie reisen mit Wagen, die mit schweren Rüstungen beladen sind. Sie sind ständig betrunken...« Er wandte den Blick ab:
    »Keine Frau ist vor ihnen sicher. Ihr müßt in unserer Nähe bleiben, Lady.«
    Sie dankte ihm ernst; doch die Vorstellung, dass Seredy und ihr Vater sie vor achtzig betrunkenen, brutalen Rittern schützen sollten, wäre, wenn sie nicht so schrecklich gewesen wäre, sehr belustigend gewesen. Der wichtigste Grund, weshalb man in einer großen Karawane reiste, war der, sich gegenseitig zu schützen. Sie beluden unverzüglich ihre Packtiere und führten sie auf ein großes Feld am Ostrand der Stadt, wo sich die Karawane sammelte. Als sie an Karl Frittas Wagen vorbeiritten, sah Mary, dass er bereits seinen Tisch aufgestellt hatte und eifrig neue Mitreisende warb.
    Es war wie eine Heimkehr, denn sie wurden von etlichen Leuten begrüßt, die sie auf dem ersten Teil der Reise kennengelernt hatten. Die Cullens bekamen ihren Platz diesmal ungefähr in der Mitte der Marschfolge zugewiesen, weil sich so viele neue Mitreisende hinter ihnen angeschlossen hatten.
    Mary gab genau acht, obwohl es beinahe dunkel war, bis sie die Gruppe erblickte, auf die sie gewartet hatte. Die fünf Juden, mit denen er die Karawane verlassen hatte, kamen zu Pferd zurück. Hinter ihnen sah sie endlich die kleine braune Stute: Rob Jeremy Cole lenkte den bunten Wagen auf sie zu, und plötzlich begann ihr Herz heftig zu klopfen.
    Er sah genauso gut aus wie vor der Trennung und war offenbar

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