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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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froh darüber, zurück zu sein. Er begrüßte die Cullens so herzlich, als hätten er und Mary sich bei ihrer letzten Begegnung nicht im Streit getrennt. Als er sein Pferd versorgt hatte und zu ihrem Lagerplatz kam, erwähnte sie als gute Nachbarin, dass die hiesigen Geschäftsleute kaum noch etwas zu verkaufen hätten, falls er knapp an Vorräten sei. Er dankte ihr freundlich, sagte aber, dass er in Tryavna bereits Proviant gekauft habe. »Habt Ihr schon genug?«
    »Ja, mein Vater hat früh gekauft.« Sie ärgerte sich, weil er ihr neues Kleid und den Mantel nicht erwähnte, obwohl er sie längere Zeit genau gemustert hatte.
    »Das paßt genau zum Farbton Eurer Augen«, meinte er endlich. Sie war nicht sicher, faßte den Hinweis aber als Kompliment auf. »Danke«, antwortete sie ernst, und als ihr Vater zu ihnen trat, zwang sie sich, sich abzuwenden und zuzusehen, wie Seredy das Zelt aufstellte.

    Ein weiterer Tag verging, ohne dass die Karawane aufbrach, und überall wurde bereits gemurrt. Vater Cullen suchte Fritta auf und berichtete Mary, als er zurückkam, dass der Anführer der Karawane darauf warte, dass die normannischen Ritter aufbrechen. »Sie haben viel Unheil angerichtet, und Meister Fritta zieht es vernünftigerweise vor, sie vor uns zu wissen, statt sie als Nachhut zu haben.« Aber am nächsten Morgen waren die Ritter immer noch nicht abgezogen, und Fritta fand, dass er lang genug gewartet habe. Er gab das Signal, die Karawane brach zu ihrer letzten, langen Etappe nach Konstantinopel auf, und schließlich erreichte die Bewegung auch die Cullens. Im vergangenen Herbst waren sie einem jungen Franken mit Frau und zwei kleinen Kindern gefolgt. Die fränkische Familie hatte außerhalb der Stadt Gabrovo überwintert, aber ausdrücklich erklärt, dass sie die Reise mit der Karawane fortsetzen wollten. Als sie nicht erschienen, wusste Mary, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste, und sie betete für sie. Die Cullens ritten jetzt hinter zwei französischen Brüdern, die erzählt hatten, sie wollten ein Vermögen machen, indem sie türkische Teppiche und andere Schätze kauften. Sie kauten um ihrer Gesundheit willen Knoblauch und drehten sich oft im Sattel um, um Marys Körper stumpfsinnig anzustarren. Ihr fiel ein, dass der junge Baderchirurg hinter ihr sie vielleicht auch beobachtete, und zeitweise bewegte sie boshafterweise ihre Hüften stärker als notwendig. Die riesige Schlange der Reisenden wand sich bald zu dem Paß empor, der zwischen den hohen Bergen hindurchführte. Auf der anderen Seite des Gebirgszugs lagen Hügel, die allmählich in welliges Land übergingen. Sie schliefen die folgende Nacht in einer großen, mit Büschen bestandenen Ebene. Am nächsten Tag zogen sie genau Richtung Süden, und es wurde klar, dass das Tor zum Balkan zwei verschiedene Klimazonen voneinander trennte, denn die Luft war auf dieser Seite des Gebirges milder, und sie wurde mit jeder Stunde, die sie reisten, wärmer.
    In dieser Nacht machten sie vor dem Dorf Gornia halt. Mit Erlaubnis der Besitzer lagerten sie in großen Pflaumengärten. Die Bauern verkauften einigen Männern scharfen Pflaumenschnaps sowie grüne Zwiebeln und ein Getränk aus gegorener Milch, das so dick war, dass man es mit dem Löffel essen mußte. Früh am nächsten Morgen, als sie noch lagerten, hörte Mary fernen Donner. Aber das Donnern wurde rasch lauter, und bald gesellte sich wildes Männergeschrei zu dem Lärm. Als sie aus dem Zelt trat, sah sie, dass die weiße Katze den Wagen des Baderchirurgen verlassen hatte und wie versteinert auf der Straße stand. Die normannischen Ritter galoppierten vorbei wie Dämonen in einem Alptraum, und die Katze verschwand in einer Staubwolke. Doch Mary hatte noch gesehen, was die ersten Hufe dem Tier angetan hatten. Sie merkte nicht, dass sie schrie, und lief auf die Straße, bevor sich der Staub gesetzt hatte. Mistress Buffington war nicht mehr weiß. Sie war in den Staub getrampelt worden, und Mary hob den armen, zerschundenen kleinen Körper hoch. Jetzt erst bemerkte sie, dass Rob seinen Wagen verlassen hatte und sich über sie beugte.
    »Ihr werdet Euer neues Kleid mit dem Blut beflecken«, sagte er rauh, aber sein blasses Gesicht spiegelte Verzweiflung.
    Er nahm die Katze, holte einen Spaten und verließ das Lager. Als er wiederkam, ging sie nicht zu ihm, bemerkte aber von fern, dass seine Augen gerötet waren. Es war ein Unterschied, ob man ein totes Tier oder einen Menschen begrub, doch sie fand es

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