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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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brauste auf. »Was ist das für ein Unsinn? Jeder weiß, wie sorgfältig die rituellen Messer des rabbenu geschliffen werden...« Aber sein Vater hob die Hand, und er verstummte.
    Der rabbenu hielt das Messer ins Licht und fuhr geübt mit dem Finger dicht unter der rasiermesserscharfen Schneide entlang. Es seufzte, denn die Kerbe war vorhanden, ein menschlicher Fehler, durch den das Fleisch für den Verzehr des Gläubigen ungeeignet wurde. »Es ist ein Segen, dass deine Augen schärfer sind als diese Klinge und uns weiterhin beschützen, mein alter Freund«, sagte er ruhig, und die Zuschauer entspannten sich, als atmeten sie tief auf. Reb Baruch lächelte. Er strich über die Hand des rabbenu , und die beiden Männer blickten einander lange an.
    Dann drehte sich der rabbenu um und rief nach Mär Reuven, dem Baderchirurgen.
    Rob und Simon traten vor und hörten aufmerksam zu. »Der rabbenu ersucht Euch, den treifen Stierkadaver dem christlichen Fleischer von Gabrovo zu bringen«, übersetzte Simon.
    Rob spannte die Stute, die dringend Bewegung brauchte, an einen flachen Schlitten, auf den hilfsbereite Hände den geschlachteten Stier legten. Der rabbenu hatte für das zweite Tier ein gebilligtes Messer verwendet, das Tier wurde als koscher beurteilt, und die Juden zerteilten es bereits, als Rob die Zügel schüttelte und die Stute aus Tryavna hinauslenkte.
    Er fuhr langsam nach Gabrovo. Der Fleischerladen befand sich genau dort, wo man es ihm beschrieben hatte.
    Die Sprache war kein Hindernis. »Tryavna.« Rob zeigte auf den toten Stier.
    »Ah, rabbenu .« Der Fleischer nickte heftig. Er ging zu einem Wirtshaus, kam mit zwei Helfern zurück, und der Stier wurde mit Hilfe eines Seils mit einiger Mühe abgeladen. Als der Fleischer Rob die wenigen Münzen überreichte, wurde diesem klar, warum der Mann selig lächelte, denn er hatte praktisch ein ganzes, ausgezeichnetes Rind geschenkt bekommen, einfach weil das Schlachtmesser eine Kerbe auf gewiesen hatte.
    Rob konnte nur im Namen der Hebräer die Münzen übernehmen und sie in sicheren Gewahrsam in seine Geldtasche stecken. Nachdem er seinen Auftrag erledigt hatte, suchte er direkt das nahe Wirtshaus auf. Die niedrige Decke war durch das rußende Feuer geschwärzt, um das neun oder zehn Männer saßen und tranken.
    Drei Frauen warteten aufmerksam an einem kleinen Tisch in der Nähe. Rob musterte sie, während er trank - es war ein brauner, scharfer Gerstenschnaps, der keineswegs nach seinem Geschmack war. Die Frauen waren eindeutig Kneipenhuren. Zwei hatten ihre beste Zeit bereits hinter sich, aber die dritte war eine junge Blondine mit einem sündhaft unschuldigen Gesicht. Sie erkannte, warum er sie betrachtete, und lächelte ihm zu.
    Rob trank aus und ging zu ihrem Tisch. »Ich nehme nicht an, dass du Englisch verstehst«, murmelte er und hatte richtig geraten. Eine der älteren Frauen sagte etwas, und die anderen beiden lachten. Aber er zog eine Münze heraus und gab sie der jüngeren. Das genügte zur Verständigung. Sie steckte die Münze in die Tasche, verließ den Tisch, ohne ein weiteres Wort zu ihren Gefährtinnen zu sagen, und holte ihren Mantel, der an einem Haken hin.
    Er folgt ihr hinaus und begegnete auf der Straße Mary Cullen. »Hallo! Verbringt Ihr und Euer Vater einen angenehmen Winter?«
    »Wir verbringen einen erbärmlichen Winter«, antwortete sie, und man sah es ihr an. Ihre Nase war gerötet, und auf ihrer Oberlippe prangte eine Fieberblase. »Im Gasthaus ist es immer eisig, und das Essen ist sehr schlecht. Lebt Ihr wirklich bei den Juden?«
    »Ja.«
    »Wie könnt Ihr nur?« protestierte sie schwach.
    Er hatte die Farbe ihrer Augen vergessen, ihre Wirkung auf ihn war nun entwaffnend, als wäre er im Schnee plötzlich auf Eisvögel gestoßen. »Ich schlafe in einem warmen Stall, und das Essen ist ausgezeichnet«, erzählte er ihr mit großer Befriedigung.
    »Mein Vater behauptet, dass es einen besonderen Judengestank gibt, den foetor judaicus, weil sie die Leiche Christi nach seinem Tod mit Knoblauch eingerieben haben.«
    »Manchmal riechen wir alle. Aber es ist bei den Juden Brauch, jeden Freitag von Kopf bis Fuß ins Wasser zu tauchen. Sie baden öfter als die meisten Menschen.«
    Sie errötete, denn es war schwierig und gelang nur selten, in einem der Gasthäuser von Gabrovo Badewasser zu bekommen. Sie sah die Frau an, die geduldig in der Nähe auf Rob wartete. »Mein Vater sagt, dass jemand, der bei den Juden lebt, nie ein ordentlicher Mensch

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