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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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sein kann.«
    »Ich hielt Euren Vater für einen netten Mann«, erwiderte er nachdenklich, »aber er ist wohl ein Arschloch.«
    Nach verschiedenen Richtungen liefen sie gleichzeitig davon.
    Er folgte der blonden Frau in ein nahegelegenes Zimmer. Es war unordentlich, schmutzige Frauenkleider lagen herum, und er hatte den Eindruck, dass sie das Zimmer mit den beiden anderen teilte. Er sah ihr zu, während sie sich auszog. »Es ist grausam, dich zu betrachten, nachdem man die andere gesehen hat«, stellte er laut fest, denn er wusste, dass sie kein Wort davon verstand. »Sie hat zwar vielleicht eine recht spitze Zunge, aber... es ist nicht eigentlich ihre Schönheit, doch es können sich nur wenige Frauen mit Mary Cullen vergleichen.« Die Frau lächelte ihn an.
    »Du bist eine junge Hure, siehst aber schon alt aus.« Die Luft im Zimmer war kalt. Die blonde Frau legte ihre Kleidung ab und glitt rasch zwischen die schmutzigen Pelzdecken, um der Kälte zu entkommen, doch Rob hatte bereits mehr mitbekommen, als ihm lieb war. Er war ein Mann, der zwar den Moschusduft der Frauen schätzte, aber von dieser ging ein säuerlicher Gestank aus, und ihre Schamhaare sahen so hart und klebrig aus, als wären unzählige Male Körpersäfte auf ihnen eingetrocknet, ohne mit Wasser in Berührung gekommen zu sein. Die Enthaltsamkeit hatte in ihm einen solchen Hunger erzeugt, dass er gern über sie hergefallen wäre, doch der kurze Blick auf ihren bläulichen Leib hatte ihm verbrauchtes, schmutzstarrendes Fleisch offenbart, das er nicht anrühren wollte.
    »Gott verdamme jene rothaarige Hexe«, murmelte er verdrießlich. Die Frau blickte verdutzt zu ihm empor.
    »Es ist nicht deine Schuld, Kleine.« Er griff in seine Börse und gab ihr mehr, als sie wert gewesen wäre, wenn sie eine Leistung erbracht hätte. Sie zog die Hand mit den Münzen unter den Pelz und drückte sie fest an sich.
    Da er noch gar nicht begonnen hatte, sich auszuziehen, glättete er nur seine Kleidung, nickte ihr zu und ging hinaus in die frische Luft.

    Als sich der Februar dem Ende zuneigte, verbrachte er mehr Zeit denn je im Studierhaus, um sich in den persischen Qu'ran zu vertiefen. Immer wieder wunderte er sich über die unerbittliche Feindseligkeit des Qu'ran gegenüber Christen und über den tiefen Abscheu gegenüber Juden.
    Simon erklärte es ihm: »Mohammeds erste Lehrer waren Juden und christliche Mönche aus Syrien. Als er verkündete, dass der Engel Gabriel ihn heimgesucht und dass Gott ihn zum Propheten ernannt und ihm aufgetragen habe, eine neue, vollkommene Religion zu gründen, erwartete er, dass sich ihm diese alten Freunde freudig anschließen würden. Aber die Christen zogen ihre eigene Religion vor, und die verstörten, bedrohten Juden unterstützten jene, die Mohammeds Lehre ablehnten. Solange er lebte, vergab er ihnen nicht, sondern schmähte sie in Wort und Schrift.«
    Simons Erklärungen machten den Qu'ran für Rob lebendig. Er war beinahe bis zur Hälfte des Buches durchgedrungen und studierte es eifrig, weil ihm klar war, dass sie bald wieder reisen würden. Sobald sie Konstantinopel erreichten, würden er und Meiers Gruppe verschiedene Wege einschlagen, und das hieß, dass er sich nicht nur von seinem Lehrer Simon trennen musste, sondern auch, was schlimmer war, von dem Buch. Der Qu'ran veranschaulichte ihm eine Kultur, die sich von der seinen völlig unterschied, und die Juden von Tryavna gewährten ihm außerdem Einblick in eine dritte Lebensweise. Als Junge hatte er geglaubt, dass England die Welt darstellte, doch nun erkannte er, dass es noch ganz andere Völker gab; manche Züge waren allen gemeinsam, doch sie unterschieden sich voneinander in vieler Hinsicht. Die Begegnung beim Schächten hatte den rabbenu und Reb Baruch ben David versöhnt, und ihre Familien begannen sofort, die Hochzeit von Rahel mit dem jungen Reb Meschullum ben Nathan vorzubereiten. Im Judenviertel setzte lebhafte Geschäftigkeit ein, und die beiden alten Männer wurden oft in bester Stimmung gemeinsam gesehen. Der rabbenu schenkte Rob den alten Lederhut und lieh ihm zum Studium einen winzigen Teil des Talmuds. Das hebräische Gesetzbuch war ins Persische übersetzt, und obwohl Rob die Gelegenheit willkommen war, die persische Sprache in einem anderen Dokument kennenzulernen, begriff er den Abschnitt nicht. Das Fragment befaßte sich mit einem Gesetz, das schaatnes hieß: Obwohl die Juden Leinen oder Wolle tragen durften, war ihnen verboten, ein Gemisch aus Leinen

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