Medicus 01 - Der Medicus
Die Beschaffenheit des Bodens änderte sich so unmerklich, daß sie nicht beunruhigt waren, aber zu Mittag, als die Sonne glühend auf sie niederbrannte, kämpften sie sich bereits durch tiefen Sand vorwärts, der so fein war, daß die Hufe der Tiere darin einsanken. Sie stiegen ab, und Männer und Tiere quälten sich gleichermaßen mühsam weiter. Rob erschien es wie ein Traum: Ein Ozean aus Sand erstreckte sich in alle Richtungen, so weit er sehen konnte. Manchmal bildete der Sand Hügel, die wie die großen, von Rob gefürchteten Meereswellen aussahen, dann wieder war er wie das spiegelglatte Wasser eines stillen Sees, das der Westwind nur leicht kräuselte. Rob entdeckte nicht die Spur von Leben, keinen Vogel in der Luft, keinen Käfer oder Wurm auf der Erde, aber am Nachmittag kamen sie an bleichenden Knochen vorbei, die wie der unordentlich aufgeschichtete Haufen Brennholz hinter einer englischen Hütte aussahen, und Lonzano erzählte Rob, daß Nomaden die Überreste von Tieren und Menschen sammelten und hier als Wegmarkierung aufschichteten. Dieser Hinweis auf Menschen, die an so einem Ort daheim waren, wirkte zermürbend, und sie versuchten ihre Tiere ruhig zu halten, denn sie wussten, wie weit das Brüllen eines Esels in der regungslosen Luft zu hören war. Die Dasht-i-Kavir war eine Salzwüste. Mitunter wand sich der Sandpfad, auf dem sie gingen, zwischen Sümpfen aus salzigem Schlamm hindurch, der dem am Ufer des Urmiasees glich. Nachdem sie sechs Stunden so marschiert waren, fühlten sie sich vollkommen erschöpft, und als sie zu einem kleinen Sandhügel kamen, der vor der niedrig stehenden Sonne einen Schatten warf, drängten sich Menschen und Tiere auf dem verhältnismäßig kühlen Platz zusammen. Nach einer Stunde im Schatten waren sie imstande, bis zum Sonnenuntergang weiterzumarschieren.
»Vielleicht sollten wir nur bei Nacht reisen und während der Tageshitze schlafen«, schlug Rob vor.
»Nein«, entgegnete Lonzano rasch. »Als ich jung war, habe ich einmal mit meinem Vater, zwei Onkeln und vier Vettern die Dasht-i-Lut durchquert. Mögen die Toten in Frieden ruhen! Die Dasht-i-Lut ist eine Salzwüste wie diese hier, und wir beschlossen, nur bei Nacht zu reisen, gerieten aber bald in Schwierigkeiten. In der heißen Jahreszeit trocknen die Salzseen und Sümpfe rasch aus, und stellenweise bleiben Krusten an der Oberfläche zurück. Wir mußten erleben, daß Männer und Tiere durch diese Krusten einbrachen.
Manchmal befindet sich darunter Lake oder Treibsand, und es ist viel zu gefährlich, bei Nacht zu reisen.«
Weitere Fragen über dieses Erlebnis in der Dasht-i-Lut wollte Lonzano nicht beantworten, und Rob drängte ihn nicht, da er spürte, daß man das Thema lieber nicht vertiefen solle.
Bei Einbruch der Dunkelheit saßen oder lagen sie auf dem salzigen Sand. Die Wüste, in der sie bei Tag gebraten hatten, wurde nachts kalt. Es gab kein Brennholz, und sie hätten auch kein Feuer entfacht, um von keinem feindlichen Auge gesehen zu werden. Rob war so müde, daß er trotz seines Unbehagens in einen tiefen Schlaf fiel, der bis zum Morgengrauen dauerte.
Er bemerkte verblüfft, daß das Wasser, das ihm in Kashan als reichlich bemessen erschienen war, in der trockenen Wüste dahinschwand. Er beschränkte sich auf kleine Schlucke, während er sein Frühstücksbrot aß, und gab seinen Tieren viel mehr. Er schüttete ihre Ration in den ledernen Judenhut und hielt ihn, während sie tranken. Anschließend genoß er es, sich den feuchten Hut auf den heißen Kopf zu setzen. Dann rief Loeb plötzlich: »Reiter kommen!«
Weit im Süden gewahrten sie eine Staubwolke, die von einer großen Menschenschar herzurühren schien, und Rob befürchtete, daß es die Wüstensöhne seien, die die Markierung aus Knochen zurückgelassen hatten. Doch als das Gebilde näher kam, erkannten sie, daß es sich nur um eine Wolke handelte.
Als sie der heiße Wüstenwind erreichte, hatten ihm die Esel und Maultiere instinktiv den Rücken zugekehrt. Rob kauerte sich, so gut er konnte, hinter die Tiere, und der Wind fegte über sie hinweg. Seine erste Wirkung war einem Fieberanfall ähnlich. Er führte Sand und Salz mit sich, und die Haut verbrannte wie unter Flocken heißer Asche. Die Luft wurde noch schwerer und drückender, und die Männer und die Tiere warteten geduldig, während sie der Sturm zu einem Teil der Salzwüste machte und sie mit einer zwei Finger dicken Schicht aus Sand und Salz bedeckte.
In dieser Nacht träumte
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