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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Als sie das Tor in der Mauer erreichten, stand es bereits offen. Es wurde sofort hinter ihnen geschlossen und versperrt, und als sie abstiegen, genossen sie Sicherheit und Gastlichkeit innerhalb der Mauern des Judenviertels. » Shalom !« begrüßte sie der rabbenu von Bayburt ohne sonderliche Überraschung. Er war ein kleiner Mann, der aber auf einem Esel vollkommen selbstverständlich ausgesehen hätte. Er trug einen Vollbart, und um seinen Mund spielte ein wehmütiger Zug. » Shalom aleikhum «, grüßte Lonzano.
    Rob hatte schon in Tryavna von dem jüdischen Reisewesen gehört, doch nun erlebte er es als Beteiligter. Jungen führten die Tiere fort, um sie zu versorgen, andere Jungen sammelten ihre Flaschen, um sie zu waschen und mit Süßwasser aus dem Brunnen des Ortes zu füllen. Frauen brachten nasse Tücher, damit sie sich reinigen konnten; sie wurden mit frischem Brot, mit Suppe und Wein verwöhnt, bevor sie sich mit den Männern in der Synagoge zum ma'ariw versammelten. »Ich kenne Euer Gesicht, nicht wahr?« fragte der rabbenu Lonzano. »Ich habe Eure Gastfreundschaft schon früher genossen. Ich war vor sechs Jahren mit meinem Bruder Abraham und unserem Vater Jeremiah ben Label, seligen Angedenkens, hier. Unser Vater wurde uns vor vier Jahren durch den Tod entrissen, als eine kleine Schramme an seinem Arm brandig wurde und sein Blut vergiftete. Es war der Wille des Allerhöchsten.«
    Der rabbenu nickte seufzend. »Möge er in Frieden ruhen!« Ein grauhaariger Jude kratzte sich am Kinn und mischte sich eifrig ins Gespräch ein. »Erinnert Ihr Euch vielleicht an mich? Josel ben Samuel aus Bayburt? Es werden im Frühjahr zehn Jahre, dass ich bei Eurer Familie in Masqat gewohnt habe. Ich hatte mit einer Karawane von dreihundertvierzig Kamelen Kupferkies gebracht, und Euer Onkel -hieß er Issachar? - half mir, den Kies an einen Schmelzer zu verkaufen, eine Ladung Meeresschwämme zu erstehen und sie mitzunehmen.
    Ich habe einen schönen Gewinn damit erzielt.« Lonzano lächelte. »Mein Onkel Jehiel ben Issachar.«
    »Jehiel, genau! Es war Jehiel. Ist er wohlauf?«
    »Er war bei guter Gesundheit, als ich Masqat verließ«, antwortete Lonzano.
    Der rabbenu meldete sich wieder. »Die Straße nach Erzurum wird von einer Bande türkischer Räuber beherrscht.
    Die Pest soll sie treffen, und alle denkbaren Katastrophen mögen über sie hereinbrechen! Sie morden, verlangen Lösegeld, was immer ihnen paßt. Ihr müßt ihnen ausweichen und einen schmalen Pfad durch die höchsten Berge nehmen. Ihr werdet euch nicht verirren, denn einer unserer Jungen wird euch führen.«
    Daher schwenkten ihre Tiere am nächsten Morgen kurz nach Bayburt von der vielbegangenen Straße ab und kletterten einen steinigen Pfad empor, der stellenweise nur wenige Fuß breit war und an steilen Abhängen entlangführte. Der Junge aus Bayburt blieb bei ihnen, bis sie die Hauptstraße erreicht hatten.
    Die nächste Nacht verbrachten sie in Karakose, wo ein Dutzend jüdische Familien lebte, wohlhabende Kaufleute, die unter dem Schutz eines mächtigen Kriegsherrn, Ah al-Hamid, standen. Hamids Burg war als Siebeneck auf einem hohen, die Stadt beherrschenden Berg erbaut. Sie sah wie eine riesige abgetakelte, mastlose Kriegsgaleone aus. Das Wasser musste auf Eseln aus der Stadt in die Burg gebracht werden, und die Zisternen waren immer voll, falls es zu einer Belagerung kommen sollte. Als Gegenleistung für Hamids Schutz hatten sich die Juden von Karakose verpflichtet, die Vorratshäuser der Burg stets mit Hirse und Reis zu füllen. Rob und die drei Juden bekamen Hamid nicht zu Gesicht, verließen aber Karakose gern wieder, denn sie wollten nicht an einem Ort verweilen, wo ihre Sicherheit von der Laune eines einzigen mächtigen Mannes abhing.
    Sie zogen durch ein Gelände, das äußerst schwierig und gefährlich war, aber das Reisenetz funktionierte. Jeden Abend erhielten sie einen neuen Vorrat an Süßwasser, ausreichende Nahrung und Unterkunft sowie Angaben über die vor ihnen hegende Wegstrecke. Die Sorgenfalten in Lonzanos Gesicht waren fast verschwunden. An einem Freitagnachmittag erreichten sie das kleine Bergdorf Igdir. Sie blieben einen zusätzlichen Tag in den kleinen Steinhäusern der dortigen Juden, um nicht am Sabbat reisen zu müssen. In Igdir wurde Obst angebaut, und sie stopften sich dankbar mit schwarzen Kirschen und kandierten Quitten voll.
    Nun entspannte sich sogar Arieh, und Loeb zeigte Rob großzügig eine geheime Zeichensprache, mit

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