Medicus 01 - Der Medicus
Schweine auf sich aufmerksam zu machen, so daß sie nicht erschreckt wurden und angriffen. Rob bekam eine Gänsehaut; seine langen Beine, die an den Flanken des kleinen Esels herabhingen und am tiefen Gras streiften, erschienen ihm ungeschützt und verwundbar. Aber die Schweine trollten sich vor den lauten Männerstimmen und bereiteten ihnen keine Schwierigkeiten.
Sie kamen an einen rasch strömenden Fluß, der einem tiefen Graben glich und dessen Ufer fast senkrecht anstiegen und von Fenchel überwuchert waren. Obwohl die vier stromauf- und abwärts zogen, fanden sie keine Stelle, wo sie ihn mühelos überqueren konnten. Schließlich trieben sie ihre Tiere emiach ms Wasser. Es wurde sehr schwierig für die Esel und Maultiere, auf dem gegenüberliegenden, überwachsenen Ufer hinaufzuklettern und dabei nicht abzurutschen. Die Luft war von Flüchen und dem scharfen Geruch des zertretenen Fenchels erfüllt, und es dauerte einige Zeit, bis sie alle am anderen Ufer waren. Jenseits des Flusses kamen sie in einen Wald. Sie folgten einem Pfad, wie ihn Rob von zu Hause kannte. Das Land war wilder als die englischen Wälder; das hohe Dach der ineinander verflochtenen Baumkronen hielt die Sonne ab, doch das Unterholz wucherte üppig, und es wimmelte von Tieren. Rob erkannte Rehe, Kaninchen und Stachelschweine, und in den Bäumen nisteten Tauben und kleine Vögel, die er für eine Art Rebhühner hielt. So ein Weg wäre so recht nach des Baders Geschmack gewesen, und Rob fragte sich, was die Juden gesagt hätten, wenn er sein Sachsenhorn geblasen hätte.
Nach einer Wegbiegung, als Rob die Führung übernommen hatte, scheute sein Esel. Auf einem großen Ast über ihnen duckte sich ein Panther.
Der Esel wich zurück, und das Maultier hinter ihnen nahm den Raubtiergeruch wahr und schrie. Vielleicht spürte der Panther die überwältigende Angst. Noch während Rob nach seiner Waffe griff, sprang ihn das Tier, das ihm ungeheuer groß erschien, an. Da drang ein langer, schwerer, mit gewaltiger Kraft abgeschossener Pfeil dem Tier ins rechte Auge. Die großen Klauen rissen den armen Esel auf, als die Katze auf Rob stürzte und ihn dabei aus dem Sattel warf. Im nächsten Augenblick lag er auf dem Boden und glaubte, an dem Moschusgeruch der Katze zu ersticken. Das Tier lag quer über ihm, so daß er das Hinterteil vor sich hatte, das glänzend schwarze Fell sah, den verfilzten After und die große rechte Hintertatze, die sich wenige Zentimeter vor seinem Gesicht befand und beinahe obszön große, geschwollen wirkende Ballen hatte. Die Kralle der zweiten der vier Zehen war erst kürzlich abgerissen worden. Die Wunde war offen, blutete und machte Rob klar, daß sich am Kopf dieser Katze Augen befanden und keine getrockneten Aprikosen und eine Zunge, die nicht aus rotem Filz bestand.
Aus dem Wald kamen Leute. In der Nähe stand ihr Anführer, der noch seinen Langbogen in der Hand hielt. Er trug eine einfache rote, mit Baumwolle gefütterte Kattunjacke, eine Hose aus grobem Stoff, Schuhe aus Eselshaut und einen nachlässig gewickelten Turban. Er war etwa vierzig Jahre alt, kräftig gebaut, hielt sich gerade, hatte einen kurzen, dunklen Bart, eine Adlernase, und in seinen Augen blitzte noch die Jagdleidenschaft, während er zusah, wie seine Diener den toten Panther von dem hochgewachsenen jungen Mann herunterzogen.
Rob kam zitternd auf die Beine und zwang seine Gedärme unter Kontrolle. »Fangt den verdammten Esel ein«, verlangte er von niemand Bestimmten. Weder die Juden noch die Perser verstanden ihn, denn er hatte in der Aufregung Englisch gesprochen. Der Esel kehrte ohnedies infolge des fremdartigen Waldes um, in dem vielleicht noch andere Gefahren lauerten, und trottete, wie sein Besitzer, zitternd zurück, Lonzano trat neben Rob und brummte etwas, als er den Fremden erkannte. Dann knieten alle in der Demutsstellung, die von Rob später als ravi zemin , »Gesicht auf dem Boden«, beschrieben wurde, nieder, und Lonzano zog Rob unsanft mit sich und legte ihm die Hand auf den Nacken, um sich zu vergewissern, daß sein Kopf tief gesenkt war.
Diese Vorkehrung fiel dem Jäger auf; Rob hörte seine Schritte, dann sah er die Schuhe aus Eselshaut, die wenige Zoll vor seinem gesenkten Kopf anhielten.
»Ein großer, toter Panther und ein großer, unwissender Dhimmi «, sagte eine belustigte Stimme, und die Schuhe entfernten sich.
Der Jäger und die Diener, die die Beute trugen, gingen ohne ein weiteres Wort davon. Nach einiger Zeit erhoben
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