Medicus 01 - Der Medicus
Beck stach mit der Spitze seines Messers in einen. »Leberflecke!« brüllte Farrow.
Blut quoll hervor, was bei einem Hexer eigentlich nicht geschehen sollte.
»Sie sind schlau, so höllisch schlau«, rief Beck. »Sie können nach Belieben bluten.«
»Ich bin ein Bader und kein Hexer«, schleuderte ihnen Farrow verächtlich entgegen, doch als sie ihn an ein Holzkreuz fesselten und ihn zu seinem Viehteich trugen, schrie er um Gnade. Das Kreuz wurde in den seichten Teich geworfen, dass es aufklatschte, und unter Wasser gedrückt. Die Menge wurde still und betrachtete die aufsteigenden Luftblasen. Dann zogen sie Farrow heraus und gaben ihm Gelegenheit zu einem Geständnis. Er atmete noch und spie schwach Wasser aus.
»Gestehst du, Nachbar Farrow, dass du mit dem Teufel im Bund gewesen bist?« fragte ihn Beck mit freundlicher Stimme. Doch der Gefesselte konnte nur husten und nach Luft schnappen. Also tauchten sie ihn wieder in den Teich. Diesmal wurde das Kreuz unter Wasser gedrückt, bis keine Luftblasen mehr aufstiegen. Und sie hoben ihn noch immer nicht heraus.
Henry konnte nur zuschauen und weinen, als sähe er zum zweitenmal, wie sie seinen Vater ermordeten. Er war erwachsen, kein Junge mehr, doch er war machtlos gegen die Hexenjäger und befürchtete, sie könnten auf den Gedanken kommen, dass der Baderlehrling der Gehilfe des Hexers war. Schließlich ließen sie das untergetauchte Kreuz los, sprachen den Gegenzauber und gingen von dannen; sie ließen es auf dem Teich schwimmen.
Als alle fort waren, watete Henry durch den Morast, um das Kreuz an Land zu ziehen. Rosa Schaum hatte sich zwischen den Lippen seines Lehrherrn gebildet. Er drückte die Augen zu, die blicklos in dem weißen Gesicht anklagten, und entfernte die Wasserlinsen von Farrows Schultern, bevor er ihn vom Kreuz schnitt. Der Landbader war ein Witwer ohne Familie gewesen, und deshalb fiel die Verantwortung seinem Lehrling zu. Er begrub Farrow so rasch wie möglich.
Als er sich im Haus umsah, entdeckte er, dass sie vor ihm dagewesen waren. Zweifellos hatten sie Beweise für Farrows Teufelswerk gesucht, als sie sein Geld und seinen Alkohol mitnahmen. Das Haus war geplündert worden, doch es gab noch Kleidungsstücke, die in besserem Zustand waren als die seinen, und Lebensmittel, die er in einen Sack steckte. Er nahm auch eine Tasche mit chirurgischen Instrumenten mit und fing Farrows Pferd ein, auf dem er aus Matlock hinausritt, bevor sie sich seiner erinnerten und zurückkamen.
Er wurde wieder ein Wanderer, doch diesmal hatte er einen Beruf, und das machte einen gewaltigen Unterschied. Überall gab es kranke Menschen, die einen oder zwei Penny für eine Behandlung bezahlten.
Irgendwann begriff er, was man mit dem Verkauf von Arzneien verdienen konnte, und um eine Menschenmenge zusammenzubringen, verwendete er einige der Methoden, die er auf den Reisen mit den Gauklern gelernt hatte.
Da er glaubte, man könnte ihn suchen, hielt er sich nie lang an einem Ort auf, und er vermied die Nennung seines vollen Namens: So wurde er der Bader. Bald entwickelte sich auf diese Weise ein Leben, das ihm zusagte: Er kleidete sich warm und gut, hatte Frauen, so viele er wollte, trank, wenn er Lust dazu verspürte, aß bei jeder Mahlzeit reichlich und gelobte sich, nie wieder zu hungern. Er nahm rasch zu. Als er die Frau kennerlernte, die er heiratete, wog er über zweihundertzwanzig Pfund. Lucinda Eames war eine Witwe mit einem schönen Anwesen in Canterbury. Er kümmerte sich ein halbes Jahr lang um ihre Tiere und Felder und spielte den Ehemann. Ihr kleines, weißes Gesäß gefiel ihm, es war wie ein blasses, umgekehrtes Herz. Wenn sie sich liebten, streckte sie die rosige Zungenspitze aus dem linken Mundwinkel, wie ein Kind, das eine schwierige Aufgabe macht. Sie machte ihm Vorwürfe, weil sie nicht schwanger wurde. Vielleicht hatte sie recht, aber sie hatte von ihrem ersten Mann auch kein Kind empfangen. Ihre Stimme wurde schrill, ihr Ton bitter, und sie gab sich keine Mühe beim Kochen. Und lange bevor ein Jahr mit ihr vorbei war, erinnerte er sich an herzlichere Frauen, köstlichere Mahlzeiten, und er sehnte sich danach, ihrer spitzen Zunge zu entkommen.
Man schrieb das Jahr 1012, in dem Swegen, König der Dänen, die Herrschaft über England übernahm. Zehn Jahre lang hatte Swegen Aethelred immer wieder überfallen, um Schmach über den Mann zu bringen, der seine Verwandten hatte ermorden lassen. Schließlich floh Aethelred mit seinen Schiffen auf
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