Medicus 01 - Der Medicus
Leben eines jungen Arztes und arbeitete wie zuvor im maristan , nur daß ihm jetzt al-Juzjani ein kleines Gehalt für die tägliche Untersuchung und Behandlung seiner Patienten bezahlte. Da er mehr Zeit für sich selbst und etwas mehr Geld zur Verfügung hatte, besuchte er regelmäßig die maidans und die Freudenhäuser. »Komm doch mit!« drängte er Rob. »Ich bringe dich zu einer Hure, deren Haare so schwarz wie Rabenfedern und so fein wie Seide sind.«
Rob schüttelte lächelnd den Kopf. »Was für eine Frau möchtest du?«
»Eine mit feuerrotem Haar.«
Karim grinste. »Die laufen einem hier nicht über den Weg.«
»Ihr beide braucht Ehefrauen«, erklärte ihnen Mirdin gelassen, aber keiner der beiden hörte auf ihn. Rob widmete seine ganze Energie dem Studium, während Karim seine Schürzenjägerei fortsetzte, und seine Unersättlichkeit wurde für den Stab im Krankenhaus zu einer ständigen Quelle der Heiterkeit.
Karim lief jetzt mehr denn je, zum Auftakt und Abschluß jeden Tages. Er übte hart und ausdauernd und nicht nur, indem er lief, er unterrichtete Rob und Mirdin außerdem im Gebrauch des persischen Krummschwerts, des scimitar .
Nach Einbruch der Dunkelheit sahen sie Karim nur selten, aber mit einem Mal forderte er Rob nicht mehr auf, ihn in die Bordelle zu begleiten. Er vertraute ihm vielmehr an, daß er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau eingegangen und verliebt sei. Dafür wurde Rob immer häufiger in Mirdins Wohnung neben der Zion-Synagoge zum Abendessen eingeladen.
Zu seiner Überraschung erblickte er auf einer Truhe in Mirdins Wohnung ein Schachbrett. »Ist das das Spiel des Schahs?«
»Ja. Kennst du es? In unserer Familie hat man es seit eh und je gespielt.«
Mirdins Figuren waren nur aus Holz, aber das Spiel war das gleiche, das Rob mit Alã Shahansha gespielt hatte, nur daß Mirdin, statt auf einen schnellen, opferreichen Sieg auszugehen, ihn behutsam unterrichtete. Bald begann Rob unter Mirdins geduldiger Anleitung die Feinheiten des Schachspiels zu begreifen.
Fünf Tagesreisen nach Westen Aus Anatolien traf eine große Karawane ein, und ein junger Treiber kam mit einem Korb getrockneter Feigen für den Juden namens Jesse in den maristan . Der Treiber hieß Sadi, war der älteste Sohn von Debbid Hafiz, des kelonters von Schiras, und die Feigen waren ein Geschenk, das die Liebe und Dankbarkeit seines Vaters für die Kämpfer gegen die Pest bekunden sollte.
Sadi und Rob saßen beisammen, tranken Tee und aßen die köstlichen Feigen, die groß, fleischig und voller Zuckerkristalle waren. Nun wollte Sadi die Kamele wieder nach dem Osten treiben, nach Schiras, und der Heiler- Dhimmi ersuchte ihn, für seinen ehrwürdigen Vater Debbid Hafiz als Geschenk Isfahan-Weine mitzunehmen. Die Karawanen stellten die einzige Quelle für Nachrichten aus entfernten Gegenden dar, und Rob befragte den Jungen eingehend. Es hatte keine weiteren Anzeichen einer Seuche mehr gegeben. Einmal waren Seldschuken im gebirgigen Ostteil von Medien gesehen worden, aber es war nur ein kleiner Trupp gewesen, und sie griffen die Karawane - Allah sei Dank! - nicht an. Hamadhãn war seuchenfrei, aber ein christlicher Ausländer hatte ein europäisches Fieber eingeschleppt, worauf die mullabs der Bevölkerung jeglichen Kontakt mit den ungläubigen Teufeln untersagten. »Wie sehen die Anzeichen für diese Krankheit aus?« Sadi Ibn Debbid zögerte.
Er wußte nur, daß sich niemand außer der Tochter des Christen in seine Nähe wagte. »Der Christ hat eine Tochter?« Sadi konnte weder den kranken Mann noch seine Tochter beschreiben, meinte aber, daß der Kamelhändler Boudi, der zur Karawane gehörte, beide gesehen habe.
Sie suchten gemeinsam den Kamelhändler auf, einen verschrumpelten Mann mit schlauen Augen, der Betelnüsse kaute, so daß seine Zähne geschwärzt waren und er roten Speichel spuckte. Er erinnere sich kaum an die Christen, bedauerte Boudi, als ihm aber Rob eine Münze in die Hand drückte, half diese seinem Gedächtnis auf die Sprünge, und ihm fiel ein, daß er die beiden je fünf Tagesreisen weit nach Westen und einen halben Marschtag jenseits des Ortes Datur gesehen habe. Der Vater sei mittleren Alters, habe lange, graue Haare und keinen Bart. Er trage fremdartige Kleidung, schwarz wie das Gewand eines mullahs . Die Frau sei jung und groß und habe merkwürdiges Haar: ein wenig heller rot als Henna. Rob blickte ihn entsetzt an. »Wie krank wirkte der Europäer?« Boudi lächelte freundlich.
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