Medicus 01 - Der Medicus
denn er war jetzt al-Juzjani zugeteilt. »Er mag mich nicht. Er läßt mich nur die Instrumente reinigen und schärfen«, beschwerte Rob sich bei Karim, der über ein Jahr im Dienst al-Juzjanis verbracht hatte.
»So hält er es am Anfang mit jedem neuen Praktikanten«, tröstete ihn Karim. »Du darfst dich nicht entmutigen lassen.« Karim konnte natürlich leicht Geduld predigen. Ein Teil seines calãt bestand aus einem großen vornehmen Haus, wo er jetzt seine Patienten betreute, die sich größtenteils aus den Familien des Hofes rekrutierten. Es gehörte für einen Adligen zum guten Ton, nebenbei erwähnen zu können, daß sein Medicus Persiens Läuferheld Karim Harun war, und dieser gewann so rasch Patienten, daß er auch ohne das Preisgeld und das Stipendium, das er vom Schah erhalten hatte, ein wohlhabender jvlann gewesen wäre. Er kokettierte mit Mary und machte ihr anzügliche Anträge auf Persisch, worauf sie erklärte, sie sei froh, daß sie ihn nicht verstehe. Aber sie mochte ihn gern und behandelte ihn wie einen ungezogenen Bruder.
Irn Krankenhaus, wo Rob erwartet hatte, daß Karims Beliebtheit abnehmen würde, war das keineswegs der Fall.
Rob mußte Mirdin Askari zustimmen, der grinsend meinte, die beste Art, ein erfolgreicher Medicus zu werden, sei, den chatir zu gewinnen.
Gelegentlich unterbrach al-Juzjani Rob bei seiner Tätigkeit, um nach dem Namen eines Instrumentes, das er reinigte, oder nach seiner Verwendung zu fragen. Hier gab es viel mehr Instrumente, als Rob als Baderchirurg kennengelernt hatte, dazu chirurgische Werkzeuge, die für bestimmte Aufgaben vorgesehen waren. So reinigte und schärfte er abgerundete Operationsmesser, gekrümmte Operationsmesser, Skalpelle, Knochensägen, Ohrenküretten, Sonden, kleine Messer zum Öffnen von Zysten und Bohrer zum Entfernen von Fremdkörpern, die im Bindegewebe steckten.
Al-Juzjanis Methode erwies sich schließlich als sinnvoll, denn nach zwei Wochen, als Rob begann, ihm im Operationssaal des maristan zu assistieren, mußte der Chirurg nur einen Wunsch murmeln, und Rob konnte das geforderte Instrument aussuchen und es ihm sofort reichen.
Er assistierte und beobachtete zehn Wochen lang, bevor ihm al-Juzjani erlaubte, einen Schnitt zu setzen, und das auch nur unter Aufsicht. Als die Gelegenheit kam, handelte es sich um die Abnahme eines Zeigefingers bei einem Treiber, dessen Hand von einem Kamelhuf zerquetscht worden war.
Rob hatte durch Zusehen gelernt. Al-Juzjani verwendete immer eine Aderpresse aus einem Lederriemen, wie er vor dem Aderlaß zum Hervorpressen einer Vene verwendet wurde. Rob legte die Aderpresse geschickt an und führte die Amputation durch, ohne zu zögern, denn er hatte sie im Laufe der Jahre als Baderchirurg oft vollzogen. Damals war er aber immer von Blutungen behindert worden, nun war er von al-Juzjanis Technik begeistert, die ihm ermöglichte, einen Hautlappen zu bilden und den Stumpf zu schließen, ohne ständig das Blut wegtupfen zu müssen.
Al-Juzjani beobachtete ihn genau mit dem für ihn typischen mürrischen Gesichtsausdruck. Als Rob fertig war, wandte sich der Chirurg ohne ein Wort des Lobes ab, doch er hatte weder geknurrt noch auf eine bessere Methode hingewiesen. Rob, der nach der Operation den Tisch säuberte, glühte innerlich, weil er auf seinen kleinen Erfolg stolz war.
Vier Freunde I
Sieben Monate waren vergangen, ohne daß der Schah ihn zu sich gerufen hatte. Rob war es recht, denn neben seiner Frau und der medizinischen Ausbildung blieben ihm nur wenige Stunden der Muße. Eines Morgens wurde er zu Marys Bestürzung wie bei den früheren Gelegenheiten von Soldaten abgeholt. »Der Schah wünscht, daß Ihr heute mit ihm ausreitet.«
»Es ist alles in Ordnung«, beruhigte Rob seine Frau und ging mit ihnen. Vor den großen Ställen hinter dem Haus des Paradieses traf er auf den aschgrauen Mirdin Askari. Sie kamen beide zu dem Schluß, daß Karim hinter dieser Aufforderung stecken mußte, der seit seinem Aufstieg zur Läuferberühmtheit Alãs bevorzugter Begleiter geworden war. Und so war es auch. Als Alã Shahansha zu den Ställen kam, ging Karim unmittelbar hinter dem Herrscher, und um seine Züge spielte ein breites Lächeln, während er dem Schah zu seinen Freunden folgte. Das Lächeln verlor ein wenig an Selbstsicherheit, als der Schah sich vorneigte und Mirdin Askari zuhörte, der deutlich vernehmbar Worte in seiner Muttersprache murmelte, während er sich zum ravi zemin auf den Boden warf.
»Komm! Du
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