Medicus 01 - Der Medicus
nichts erwiderte, griff er nach dem Buch und stand auf. »Du Schurke! Sollte das wirklich wahr sein — falls du nicht verrückt bist -, setzt du nicht nur dein Leben aufs Spiel, sondern auch meines. Wenn du im fiqh nachliest, wirst du erfahren, daß du, indem du mir dies erzählt hast, mich zum Verbrecher und Mitschuldigen gemacht hast, wenn ich dich nicht anzeige.« Er spuckte aus. »Du Ausgeburt des Bösen, du hast meine Kinder in Gefahr gebracht, und ich verfluche den Tag, an dem wir einander kennengelernt haben!« Und Mirdin eilte davon. Tag um Tag verging, ohne daß die Männer des kelonter Rob holten. Mirdin hatte ihn nicht angezeigt.
Im Krankenhaus brachte Robs Heirat keine Schwierigkeiten. Die Neuigkeit, daß er eine Christin geehelicht hatte, hatte sich unter dem Stab des maristan verbreitet, aber er galt ohnedies als Sonderling - der Ausländer, der Jude, der vom Gefängnis zu einem calãt gekommen war -, und diese ungehörige Verbindung wurde hier als eine weitere Verirrung betrachtet. Ansonsten war der Umstand, daß jemand eine Frau nahm, in der mohammedanischen Gesellschaft, die jedem Mann vier Frauen zugestand, nichts Außergewöhnliches. Dennoch schmerzte ihn der Verlust Mirdins zutiefst. Zudem sah er in diesen Tagen auch Karim nur selten: Der junge hakim war von den Adeligen des Hofes mit Beschlag belegt worden und ließ sich Tag und Nacht bei Empfängen feiern. Sein Name war seit dem chatir in aller Munde.
Somit war Rob mit seiner Frau so alleine wie sie mit ihm, und sie gewöhnten sich mühelos an ihr gemeinsames Leben. Sie war die Frau, die das Haus gebraucht hatte: Es war ein wärmerer, behaglicher Ort geworden.
Hingerissen verbrachte er jeden freien Augenblick mit ihr, und wenn sie getrennt waren, dachte er an ihr rosiges, feuchtes Fleisch, an die lange, zartgeschwungene Linie ihrer Nase und an ihre lebhaften, intelligenten Augen.
Sie ritten in die Hügel und liebten sich in dem warmen, schwefelhaltigen Wasser in Alãs geheimer Höhle. Er ließ das alte Buch mit den Bildern an einer Stelle liegen, wo sie es finden mußte, und als er die verschiedenen Stellungen ausprobierte, die dort abgebildet waren, merkte er, daß sie es studierte hatte. Manche dieser Praktiken waren angenehm, andere reizten sie eher zum Lachen. Sie lachten oft und ausgelassen auf ihrer Bettmatte und trieben seltsame, sinnliche Liebesspiele.
Er blieb dabei immer der Wissenschaftler. »Was bringt dich bloß dazu, so feucht zu werden? Du bist wie ein Brunnen, der mich allmählich einsaugt.«
Sie stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. Aber ihre eigene Neugierde war ihr nicht peinlich. »Er gefällt mir, wenn er so klein ist - schlaff und schwach und sich anfühlt wie Atlasseide. Was bringt ihn dazu, sich so zu verwandeln ? Ich hatte einmal eine Amme, die mir erzählte, er werde lang, schwer und kräftig, weil er sich mit Luft füllt.« Er schüttelte den Kopf. »Nicht mit Luft. Er füllt sich mit Pulsaderblut. Ich habe einen Gehängten gesehen, dessen steifer Schwanz so voller Blut war, daß er rot leuchtete wie ein Lachs.«
»Dich habe ich aber nicht gehängt, Robert Jeremy Cole!«
»Es hat mit den Gerüchen und dem Anblick des Partners zu tun. Einmal habe ich nach einer anstrengenden Reise ein Pferd geritten, das fast lahm war, so ermüdet war es. Aber der Wind trug dem Hengst den Geruch einer Stute zu, und noch bevor wir sie sahen, waren sein Geschlechtsorgan und seine Muskeln hart wie Stein, und er rannte so wild auf sie zu, daß ich ihn kaum zügeln konnte.«
Er liebte sie so sehr, und sie war jedes Opfer wen. Dennoch vollführte sein Herz einen Sprung, als eines Abends eine vertraute Gestalt unter ihrer Tür auftauchte und grüßend nickte. »Komm herein, Mirdin!«
Als Mary dem Besucher vorgestellt wurde, betrachtete sie ihn neugierig. Dann stellte sie Wein und Süßigkeiten auf den Tisch und verließ sie mit dem wachen Instinkt, den er an ihr liebte, um die Tiere zu füttern. »Du bist wirklich ein Christ?« Rob nickte.
»Ich kann dich in eine entfernte Stadt in Fars bringen, wo der rabbenu mein Vetter ist. Wenn du bei den gelehrten Männern dort Bekehrung suchst, werden sie sich vielleicht dazu bereit erklären. Dann gäbe es keinen Grund mehr für Lügen und Betrug.« Rob sah ihn an und schüttelte langsam den Kopf. Mirdin seufzte. »Wenn du ein charakterloser Mensch wärst, würdest du sofort zustimmen. Aber du bist ein anständiger, ehrlicher Mann und auch ein ungewöhnlicher Heilkundiger. Deshalb kann ich
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