Medicus 01 - Der Medicus
mußt Persisch sprechen und uns erzählen, was du sagen willst«, fuhr ihn Alã an.
»Es ist ein Segen, Majestät. Ein Segen, den die Juden sprechen, wenn sie den König sehen«, erklärte Mirdin.
»Gesegnet seist Du, o Herr unser Gott, König des Universums, der Fleisch und Mensch Seine Herrlichkeit verliehen hat.«
»Die Dhimmis sprechen ein Dankgebet, wenn sie ihren Schah sehen?« wunderte sich Alã erfreut. Rob wußte, daß es eine beraccha war, eine Lobpreisung, die von frommen Juden beim Anblick jedes Königs gebraucht wurde, doch weder er noch Mirdin hielten es für nötig, darauf hinzuweisen. Dafür befand sich Alã in glänzender Stimmung, als er sich auf seinen Schimmel schwang und sie hinter ihm auf das weite Land hinausritten. Er wandte sich an Rob: »Ich habe gehört, daß du eine europäische Frau genommen hast.«
»Das stimmt, Majestät.«
»Man hat mir auch erzählt, daß ihr Haar hennafarben ist.«
»Ja, Majestät.«
»Eine Frau sollte schwarzes Haar haben.«
Rob konnte nicht gut mit dem Schah streiten, und er hatte auch keinen Grund dazu, doch er war froh, daß seine Frau dem Schah nicht gefiel. Alã Shahansha entdeckte zu seiner Freude bei Mirdin tiefgehende Kenntnisse der persischen Geschichte, und während sie langsam in die Hügel hineinritten, sprachen sie darüber, daß Alexander einst Persepolis geplündert hatte, was der Perser in Alã bedauerte und der Heerführer in ihm bewunderte. Im Laufe des Vormittags trat Alã an einer schattigen Stelle mit dem scimitar gegen Karim an, und während die Krummschwerter klirrend gegeneinanderschlugen, sprachen Mirdin und Rob leise über chirurgische Abbindungsschnüre und über die jeweiligen Vorzüge von Seide, von Leinenfäden - beide fanden, daß sich diese zu leicht zersetzten -, von Roßhaar und von den von Ibn Sina bevorzugten Menschenhaaren. Zu Mittag gab es im Schatten des königlichen Zeltes reichlich zu essen und zu trinken, und die drei Mediziner lösten einander beim Spiel des Schahs ab, das sie regelmäßig verloren, obwohl Mirdin sich wacker schlug und eine Partie beinahe gewonnen hätte, was für Alã den Sieg noch wertvoller machte. In Alãs geheimer Höhle lagen die vier gesellig im warmen Wasser beisammen, das ihre Muskeln lockerte, und sie gerieten dank eines unerschöpflichen Vorrats erlesener Getränke in eine gelöste Stimmung.
Karim ließ den Wein anerkennend auf der Zunge zergehen, ehe er ihn schluckte, und sagte dann lächelnd zu Alã: »Ich war ein Betteljunge.
Habe ich Euch das bereits erzählt, Majestät?«
Alã erwiderte sein Lächeln und schüttelte den Kopf.
»Ein Betteljunge trinkt jetzt den Wein des Königs der Könige.«
»Ja. Ich habe einen Betteljungen und zwei Juden zu meinen Freunden erwählt.« Alã lachte lauter und länger als sie. »Mit dem Sieger im chatir habe ich hochfliegende, vortreffliche Pläne, und diesen Dhimmi mag ich schon lange.« Er versetzte Rob leicht betrunken einen freundschaftlichen Stoß. »Und nun erweist sich ein anderer Dhimmi als ausgezeichneter, bemerkenswerter Mann. Wenn du die madrassa beendet hast, Mirdin Askari, mußt du in Isfahan bleiben und Medicus an meinem Hof werden.«
Mirdin errötete verlegen. »Ihr erweist mir große Ehre, Majestät. Ich bitte Euch, es nicht als Beleidigung aufzufassen, aber ich ersuche Euch, mir wohlwollend zu gestatten, wenn ich einst ein hakim bin, in meine Heimat, in die Länder am großen Golf, zurückzukehren. Mein Vater ist alt und leidend. Ich werde der erste Medicus in unserer Familie sein, und vor seinem Tod soll er noch erleben, daß ich mich im Schoß unserer Familie niederlasse.«
Alã nickte unbekümmert. »Was tut diese Familie, die am großen Golf lebt?«
»Unsere Männer sind, so weit man zurückdenken kann, die Küsten entlanggesegelt und haben Perlen von den Tauchern gekauft, Majestät.«
»Perlen! Das ist gut, denn ich kaufe Perlen, sooft ich gute finde. Du wirst das Glück deiner Verwandten begründen, Dhimmi , denn du mußt ihnen auftragen, die größte, vollendetste Perle zu suchen und sie mir zu bringen. Ich werde sie kaufen und deine Familie reich machen.« Als sie nach Hause ritten, schwankten sie in den Sätteln. Alã mußte sich bemühen, aufrecht zu sitzen. Als sie die königlichen Stallungen erreichten und seine Diener und Untergebenen sich um die Ankommenden scharten, geruhte der Schah, mit seinen Begleitern zu prahlen. »Wir sind vier Freunde«, rief er so laut, daß der halbe Hof es hörte. »Einfach vier gute
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