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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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schnell begraben werden, ohne Schimpf und Schande ausgesetzt zu sein. Zweitens: Wer seine Toten über Nacht unbestattet läßt, übertritt ein negatives Gebot. Und drittens: Die Leiche muß vollständig und unversehrt bestattet werden, denn wenn man auch nur ein kleines Stück Gewebe vergißt, ist es, als hätte kein Begräbnis stattgefunden.«
    »Das also ist die Wurzel allen Übels!« staunte Rob. »Weil dieses Gesetz verbietet, die Leiche eines Mörders unbestattet zu lassen, haben Christen, Mohammedaner und Juden ihren Ärzten verboten, den Körper zu studieren, den sie heilen wollen.«
    »Es ist Gottes Gebot«, ermahnte ihn Mirdin streng. Rob legte sich zurück und starrte in die Dunkelheit. »Eure Handlungsweise bedeutet eine Mißachtung der Toten. Ihr bringt sie mit solcher Hast unter die Erde, als könntet ihr nicht erwarten, sie aus den Augen zu bekommen.«
    »Das stimmt, wir machen kurzen Prozeß mit der Leiche. Nach dem Begräbnis ehren wir das Andenken des Verstorbenen durch die shiva, sieben Tage, während denen die Leidtragenden trauernd und betend in ihrem Hause bleiben.«
    »Es ergibt keinen Sinn. Das ist ein unvernünftiges Gebot.«
    »Du sollst nicht sagen, daß Gottes Wort unvernünftig ist!«
    »Ich spreche nicht von Gottes Wort, ich spreche von der Auslegung des Wortes Gottes durch die Menschen.
    Diese hat die Welt tausend Jahre lang in Unwissenheit und Dunkelheit gehalten.« Mirdin schwieg einen Augenblick. »Deine Billigung ist nicht erforderlich«, erklärte er endlich. »Wir haben uns darauf geeinigt, daß du Gottes Gebote studieren wirst.«
    »Ja, ich war bereit, sie zu studieren. Ich war aber nicht bereit, meinen Verstand dabei auszuschalten oder auf eine eigene Meinung zu verzichten.« Diesmal antwortete Mirdin nicht mehr.

    Zwei Tage später erreichten sie endlich das Ufer eines großen Flusses, des Indus. Einige Meilen weiter nördlich gab es eine seichte Furt, aber die mahouts sagten ihnen, daß sie manchmal von Soldaten bewacht werde, weshalb sie einige Meilen nach Süden zu einer anderen Furt zogen, die tiefer, aber noch passierbar war. Khuff ließ eine Abordnung Flöße bauen. Jene Soldaten, die schwimmen konnten, schwammen mit den Tieren ans andere Ufer.
    Die Nichtschwimmer wurden auf den Flößen übergesetzt. Einige der Elefanten legten sich auf den Grund des Flusses, tauchten gänzlich unter und streckten nur ihre Rüssel zum Atmen aus dem Wasser. Wenn der Fluß sogar für sie zu tief wurde, schwammen die Elefanten ebensogut wie Pferde. Am anderen Ufer sammelten sich die Soldaten wieder und zogen weiter nach Norden in Richtung auf Mansura, wobei sie einen weiten Bogen um die bewachte Furt schlugen.
    Karim rief Mirdin und Rob zum Schah, und sie ritten eine Zeitlang mit Alã auf dem Rücken des Staatselefanten.
    Rob mußte sich auf die Worte des Herrschers konzentrieren, denn vom Rücken eines Elefanten sah die Welt ganz anders aus.
    Alãs Spione hatten ihm in Isfahan berichtet, daß Mansura nur schwach bewacht sei. Der alte Rajah dieses Ortes, einst ein grimmiger Befehlshaber, war vor kurzem gestorben, und seine Söhne waren angeblich erbärmliche Strategen, die ihre Garnisonen unterbesetzten. »Ich muß jetzt Kundschafter aussenden, die diese Aussagen bestätigen«, erklärte Alã. »Ihr beide werdet gehen, denn zwei Dhimmi -Kaufleute können sich Mansura nähern, ohne Mißtrauen zu erwecken. Rob unterdrückte den Impuls, Mirdin einen Blick zuzuwerfen. »Ihr müßt im Umkreis des Dorfes euer Augenmerk auf Elefantenfallen richten. Manchmal bauen diese Leute Holzgestelle, aus denen scharfe Eisenstacheln vorstehen, und versenken sie in seichten Gräben außerhalb ihrer Mauern. Diese Fallen würden unsere Elefanten außer Gefecht setzen, und wir müssen sicher sein, daß sie hier nicht verwendet werden.«
    Rob nickte. Wenn man auf einem Elefanten ritt, erschien einem alles möglich. »Ja, Majestät«, versprach er dem Schah.

    Die Soldaten schlugen ein Lager auf, in dem sie warten wollten, bis die Kundschafter zurückkamen. Rob und Mirdin stiegen von ihren Kamelen, weil sie als Militärreittiere nicht zum Tragen von Lasten abgerichtet waren, und verließen das Lager mit zwei Eseln an der Leine. Es war ein frischer, sonniger Morgen. In dem üppigen Wald schrien und kreischten wilde Vögel, und ein Affentrupp schimpfte von einem Baum herunter.
    »Ich möchte einen Affen sezieren.«
    Mirdin war noch böse auf ihn und empfand zudem das Dasein eines Kundschafters als noch unangenehmer als

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