Medicus 01 - Der Medicus
Behandlung von Kampfwunden, oder sie kontrollierten ihre Vorräte und bereiteten sich darauf vor, daß sie ihre Arbeit als Chirurgen ausführen konnten. Es war gut, daß sie dies taten, denn eines Abends wurden sie zum Abendessen in Alãs Zelt geladen, um seine Fragen über ihre Vorbereitungen zu beantworten. Karim war anwesend und begrüßte seine Freunde verlegen. Es wurde bald klar, daß er Befehl hatte, sie zu prüfen und sich von ihrer Leistungsfähigkeit ein Bild zu machen. Diener brachten Wasser und Tücher, damit sie sich vor dem Essen die Hände waschen konnten. Alã tauchte seine Hände in eine schön getriebene Goldschüssel und trocknete sie mit hellblauen Leinenhandtüchern ab, in die mit Goldfäden Sätze aus dem Koran gestickt waren.
»Sagt uns, wie ihr Hiebwunden behandeln werdet«, forderte Karim sie auf.
Rob wiederholte, was Ibn Sina gelehrt hatte: Man mußte Öl kochen und es so heiß wie möglich auf die Wunde gießen, um Eiterbildung und üble Säfte zu vermeiden. Karim nickte.
Alã war beim Zuhören blaß geworden. Jetzt befahl er entschieden, daß sie ihm Schlafmittel verabreichen sollten, falls er tödlich verwundet werde, um den Schmerz zu lindern, sobald ein mullah mit ihm das letzte Gebet gesprochen habe.
Die Mahlzeit war für königliche Begriffe einfach: am Spieß gebratenes Geflügel und Gemüse, das unterwegs gesammelt worden war. Aber die Speisen waren besser zubereitet als die Kost, an die sie gewöhnt waren, und sie wurden auf Tellern serviert. Nachher forderte Mirdin Alã beim Spiel des Schahs heraus, während Musikanten auf Zimbeln spielten, aber der Shahansha schlug ihn mühelos. Der Abend war eine willkommene Abwechslung von ihrem täglichen Einerlei, aber Rob fühlte sich nicht unglücklich, als sie gnädig vom Herrscher entlassen wurden. Er beneidete Karim nicht, der in letzter Zeit oft auf dem Staatselefanten ritt und dabei mit dem Schah in dem Gehäuse saß.
Rob war noch immer von den Elefanten begeistert und beobachtete sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit genau. Manche waren mit Kriegspanzern versehen, die dem Harnisch der Menschen ähnelten. Fünf Elefanten trugen zwanzig zusätzliche mahouts , die Alã als Reserve mitgenommen hatte, weil er hoffte, daß sie dann die in Mansura erbeuteten Elefanten betreuen würden. Alle mahouts waren Inder, die bei früheren Überfällen gefangengenommen worden waren. Da sie ausgezeichnet behandelt und reichlich entlohnt wurden, wie es ihrem Wert entsprach, konnte der Schah ihrer Treue sicher sein. Die Elefanten suchten sich ihr Futter selbst. Am Ende jedes Tages führten die kleinen, dunklen Wärter sie an Orte, wo Pflanzen wuchsen und wo sie sich mit Gras, Blättern, kleinen Zweigen und Rinde vollfraß611; oft gewannen sie ihre Nahrung, indem sie erstaunlich mühelos Bäume umwarfen.
Eines Abends verjagten die weidenden Elefanten ein schnatterndes Rudel von menschenähnlichen, fellbedeckten kleinen Geschöpfen mit Schwänzen, die Rob aus Beschreibungen als Affen kannte. Danach sahen sie jeden Tag Affen und eine Vielfalt von Vögeln, dazu gelegentlich Schlangen auf dem Boden und in den Bäumen. Harsha, der mahout des Schahs, erzählte Rob, daß der Biß einiger Schlangen tödlich sei. »Wenn jemand gebissen wird, muß man die Bißstelle mit dem Messer aufschneiden und das gesamte Gift heraussaugen und ausspucken. Dann muß man ein kleines Tier töten und dessen Leber auf die Wunde binden, um das restliche Gift herauszuziehen.«
Der Inder wies darauf hin, daß die Person, die das Gift aussaugte, keine offene Wunde und keinen Schnitt im Mund haben dürfe. »Sonst dringt das Gift dort ein, und er stirbt noch am selben Tag.« Eines Abends kamen Rob und Mirdin zum fünfhundertvierundzwanzigsten Gebot, das auf den ersten Blick erstaunlich wirkte: »Wenn ein Mann eine Sünde begangen hat, auf der die Todesstrafe steht, und er zum Tod verurteilt wird und ihr ihn an einem Baum aufhängt, darf seine Leiche nicht die ganze Nacht an dem Baum hängen bleiben, sondern ihr müßt ihn gewiß am selben Tag begraben.« Mirdin empfahl Rob, sich die Worte gut einzuprägen. »Ihretwegen sezieren wir tote Menschen nicht, wie es die heidnischen Griechen taten.«
Rob bekam eine Gänsehaut und richtete sich auf. »Die Weisen und Gelehrten leiten von diesem Gebot drei Erlässe ab«, kommentierte Mirdin. »Erstens; Wenn die Leiche eines verurteilten Verbrechers mit so viel Achtung behandelt wird, sollte die Leiche eines angesehenen Bürgers erst recht
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