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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Qasim Ibn Sahdis Unterkunft.
    »Ihr werdet Eure Mahlzeiten hier einnehmen, nachdem die Patienten gegessen haben, und Ihr könnt Euch in den Bädern des maristan waschen.«
    »Ja, Hakim.«
    Rob gab ihm eine Schlafmatte und eine Tonlampe. Der Alte rollte seinen abgenutzten Gebetsteppich auf und erklärte, daß der Raum die beste Wohnung sei, die er je gehabt habe.

    Es dauerte fast zwei Wochen, bis Robs arbeitsreicher Zeitplan ihm erlaubte, Jussuf-al-Gamal im Haus der Weisheit aufzusuchen. Er brachte dem Bibliothekar als Anerkennung für die Hilfe ein Geschenk mit: einen Schilfkorb mit zarten Wüstendatteln. Sie aßen die Früchte spät am Abend im Haus der Weisheit; die Räume waren verlassen.
    »Ich bin diesmal zeitlich so weit zurückgegangen, wie es mir möglich ist, bis in die Antike. Sogar die Ägypter, deren Balsamierungskunst Ihr kennt, lehrten, daß es böse und eine Entstellung der Toten ist, den Unterleib zu öffnen.«
    »Aber... wie brachten sie ihre Mumien fertig?«
    »Sie waren Heuchler. Sie bezahlten verachtete Männer, die paraschisten hießen, für die Sünde, daß sie den verbotenen ersten Einschnitt ausführten. Sobald sie den Einschnitt gemacht hatten, flohen die paraschisten , damit man sie nicht steinigte. Dieses Schuldbekenntnis ermöglichte es den ehrbaren Einbalsamierern dann, die Organe aus dem Leib zu entfernen und mit der Konservierung fortzufahren.«
    »Haben sie die Organe studiert, die sie entfernt haben? Haben sie Schriften über ihre Beobachtungen hinterlassen?«
    »Sie haben fünftausend Jahre lang einbalsamiert, insgesamt fast eine dreiviertel Milliarde Menschen ausgeweidet, und sie haben die Eingeweide in Gefäßen aus Ton, Kalkstein oder Alabaster aufbewahrt oder sie einfach weggeworfen. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, daß sie die Organe je studiert haben. Bei den Griechen war es anders. Es geschah übrigens ebenfalls im Niltal.« Jussuf nahm sich noch eine Dattel. »Alexander der Große stürmte neunhundert Jahre vor Mohammeds Geburt durch unser Persien wie ein schöner, jugendlicher Kriegsgott. Er eroberte die Welt, und am nordwestlichen Ende des Nildeltas, auf einem Landstrich zwischen dem Mittelmeer und dem See Mareotis, gründete er eine anmutige Stadt, der er seinen Namen verlieh. Zehn Jahre später starb er am Sumpffieber, aber Alexandria war bereits ein Zentrum der griechischen Kultur. Bei dem Zusammenbruch des hellenistischen Reiches fielen Ägypten und die neue Stadt an Ptolemaios von Mazedonien, einen der gelehrtesten Begleiter Alexanders. Ptolemaios errichtete das Museion von Alexandria, die erste Universität der Welt, und die große Bibliothek von Alexandria. Alle Wissenszweige blühten, aber die medizinische Schule zog die talentiertesten Studenten aus der ganzen Welt an. Zum ersten und einzigen Mal in der langen Geschichte der Menschheit stellte die Anatomie den Grundpfeiler der Medizin dar, und das Sezieren des menschlichen Körpers wurde in den folgenden dreihundert Jahren in großem Umfang praktiziert.« Rob beugte sich eifrig vor. »Dann ist es möglich, aus dieser Zeit Beschreibungen jener Krankheiten nachzulesen, die die inneren Organe befallen?«
    Jussuf schüttelte den Kopf. »Die Bücher ihrer herrlichen Bibliothek gingen verloren, als die Legionen Julius Caesars siebenundvierzig Jahre vor der christlichen Zeitrechnung Alexandria plünderten. Die Römer vernichteten die meisten Schriften der Ärzte von Alexandria. Celsus sammelte die kümmerlichen Reste und nahm sie in >De medicina< auf, um sie zu erhalten, aber er erwähnt nur kurz ein >akutes Leiden im Bereich des Dickdarms, das hauptsächlich in jenem Teil auftritt, in dem sich der Blinddarm befindet, und von einer hitzigen Entzündung und heftigen Schmerzen, besonders auf der rechten Seite, begleitet wird<.«
    Rob brummte enttäuscht. »Ich kenne das Zitat. Ibn Sina erwähnt es, wenn er unterrichtet.«
    Jussuf hob die Schultern. »So seid Ihr nun trotz meines angestrengten Stöberns in der Vergangenheit genau dort, wo Ihr wart, als ich anfing.« Rob nickte düster. »Warum, meint Ihr, begann der einzige kurze Abschnitt in der Geschichte, in dem Ärzte Menschen öffnen durften, ausgerechnet mit den Griechen?«
    »Sie hatten nicht den einen starken Gott, der ihnen untersagte, das Werk seiner Schöpfung zu entweihen. Statt dessen glaubten sie an diese vielen unzüchtigen, schwachen, sich zankenden Götter und Göttinnen.« Der Bibliothekar spuckte einen Mundvoll Dattelkerne in seine hohle Hand und

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