Medicus 01 - Der Medicus
ist.«
»Dann muß Verschiedenes getan werden«, sagte al-Juzjani ruhig. »Man muß Bestechungsgelder bezahlen. Und den medizinischen Gehilfen im Gefängnis des kelonter müssen wir durch einen Arzt ersetzen, dem wir vertrauen können.«
Trotz der warmen Frühlingsluft überlief es Rob eiskalt. »Laßt mich dieser Mann sein«, sagte er.
Nach einer schlaflosen Nacht stand er vor Sonnenaufgang auf und ritt zu Ibn Sinas Haus. Ibn Sina gab ihm eine Flasche mit Traubensaft. »Er ist mit viel Opiaten und einem Pulver aus reinen Hanfsamen, das huing heißt, vermischt. Es besteht aber ein gewisses Risiko: Sie müssen viel davon trinken, wenn jedoch einer so viel trinkt, daß er nicht mehr gehen kann, wenn sie abgeholt werden, sterbt Ihr mit ihnen.«
Im Gefängnis erklärte Rob der Wache, daß er der Medicus sei, und er erhielt eine Eskorte. Despina wartete in einer winzigen Zelle. Sie war ungewaschen und nicht parfümiert, und ihr Haar hing in glatten Strähnen herab. Ihr zierlicher, zarter Körper war in ein schmutziges, schwarzes Kleid gehüllt.
»Ich habe dir etwas zu trinken gebracht.«
In ihren Augen standen Tränen, aber sie wies das Getränk zurück.
»Du mußt trinken. Es wird dir helfen.«
Sie schüttelte den Kopf. Ich werde bald im Paradies sein, flehten ihn ihre angstgeweiteten Augen, um Bestätigung heischend, an. »Gib es ihm«, flüsterte sie, und Rob verabschiedete sich von ihr.
Sein Freund war blaß. »Also, Europäer.«
»Also, Karim.«
Sie umarmten einander, hielten sich fest umschlungen.
»Ist sie...?«
»Ich war bei ihr. Sie ist wohlauf.«
Karim seufzte. »Ich hatte seit Wochen nicht mehr mit ihr gesprochen.
Ich wollte nur ihre Stimme hören, verstehst du? Ich war sicher, daß mir an diesem Tag niemand gefolgt war.«
Rob nickte.
Karims Lippen zitterten. Als Rob ihm die Flasche reichte, ergriff er sie und trank mit einem Zug zwei Drittel der Flüssigkeit, bevor er sie zurückgab.
»Es wird wirken. Ibn Sina hat es selbst gemischt.«
»Der alte Mann, den du verehrst. Ich habe oft davon geträumt, daß ich ihn vergifte, um sie ganz besitzen zu können.«
»Jeder Mensch hat böse Gedanken. Du hättest sie nie ausgeführt.«
Karim nickte. Rob beobachtete ihn genau, weil er befürchtete, dass Karim zuviel buing getrunken haben könnte.
Wenn der Trank zu schnell wirkte, würde ein Gericht von muftis auch einen zweiten Arzt hinrichten lassen.
Karims Augen blickten müde. Er blieb wach, beschloß aber, nicht mehr zu sprechen. Rob harrte schweigend bei ihm aus, bis er endlich Schritte hörte. »Karim!«
Er blinzelte. »Ist es soweit?«
»Denk an den Gewinn des chatir «, erinnerte Rob ihn sanft. Die Schritte hielten an, die Tür ging auf. Es waren drei Soldaten und zwei mullahs . »Denk an den glücklichsten Tag deines Lebens!«
»Zaki-Omar konnte auch ein liebenswerter Mann sein«, sagte Karim.
Er schenkte Rob ein leichtes, ausdrucksloses Lächeln.
Zwei Soldaten ergriffen seine Arme. Rob folgte ihm bis in den Hof, über dem die pralle Sonne brütete. Karims Knie gaben beim Gehen nach, aber ein unbeteiligter Zuschauer mußte annehmen, daß dies eine Folge der Angst war.
Etwas Schreckliches lag schon zu Füßen einer schwarzgekleideten Gestalt auf dem blutdurchtränkten Boden, aber das buing schlug den mullahs ein Schnippchen: Karim bemerkte Despina nicht. Karims Augen waren glasig, als ihn die Soldaten vorführten. Es kam zu keinem Abschiedswort. Der Hieb des Henkers kam schnell und sicher. Seine Schwertspitze traf jedoch das Herz und führte sofort den Tod herbei, weil er bestochen worden war.
Es war Robs Aufgabe, Despina und Karim zu einem Friedhof außerhalb der Stadtmauern bringen zu lassen. Als das Begräbnis vorbei war, trank Rob den Rest des Gemisches in der Flasche aus und überließ es dem braunen Wallach, ihn nach Hause zu bringen. Als sie sich jedoch dem Hause des Paradieses näherten, zugehe er das Pferd und betrachtete den Palast. Er erschien ihm an diesem Tag besonders schön, die bunten Wimpel flatterten in der Frühlingsbrise, die Sonne blitzte auf den Standarten und Hellebarden und ließ die Waffen der Wachtposten funkeln.
Er konnte Alãs Stimme hören: Wir sind vier Freunde... Wir sind vier Freunde...
Er schüttelte die Faust. »Du Unwürdiger!«
Ein Offizier kam zu den Torposten hinunter. »Wer ist das? Kennt ihr ihn?«
»Ja. Ich glaube, es ist der hakim Jesse, der Dhimmi « Sie beobachteten die Gestalt auf dem Pferd, sahen, wie er noch einmal die Faust
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