Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
umhinkonnten, Fragen zu stellen. »Habt Ihr Nachrichten über Schottland?«
    »Waren die Zeiten gut oder schlecht, als Ihr London verlassen habt?«
    »Herrschte dort Frieden?«
    »War Knut noch König?«
    Bostock war genötigt, sich sein Abendessen sozusagen zu verdienen, obwohl seine letzten Neuigkeiten fast zwei Jahre alt waren. Er wußte nichts über das Land der Schotten, kaum etwas über den Norden Englands. Die Verhältnisse waren günstig geblieben, und London wuchs rasch. Jedes Jahr wurden neue Häuser gebaut, und es gab mehr Schiffe, als die Hafenanlagen an der Themse aufnehmen konnten. Zwei Monate vor Bostocks Abreise aus England war König Knut eines natürlichen Todes gestorben, und als der Kaufmann in Calais gelandet war, hatte er vom Tod Roberts L, des Herzogs der Normandie, gehört. »Jetzt herrschen Bastarde auf beiden Seiten des Kanals. In der Normandie ist Roberts unehelicher Sohn Wilhelm mit Hilfe von Freunden und Verwandten seines Vaters Herzog der Normandie geworden, obwohl er noch ein Knabe ist. In England hätte die Nachfolge rechtmäßig Harthacnut gehört, dem Sohn Knuts und der Königin Emma, aber Harthacnut hat seit Jahren in Dänemark ein Leben fern von Britannien geführt, und so wurde der Thron von seinem jüngeren Halbbruder Harold Harefoot usurpiert. Knut hatte ihn als seinen unehelichen Sohn von einer wenig bekannten Frau aus Northampton namens Aelfgifu anerkannt, jetzt ist er König von England.«
    »Wo sind Edward und Alfred, die beiden Prinzen, die Emma König Aethelred vor ihrer Heirat mit König Knut geboren hat?«
    »Sie leben unter dem Schutz von Herzog Wilhelm in der Normandie, und man kann annehmen, daß sie mit großer Anteilnahme über den Kanal blicken«, berichtete Bostock.
    So ausgehungert die in der Fremde Lebenden auch nach Einzelheiten aus ihrer Heimat waren, der Duft von Marys Abendessen hatte allen dreien Appetit auf die Mahlzeit gemacht, und der Blick des Kaufmanns wurde etwas freundlicher, als er sah, was ihm zu Ehren gekocht worden war.
    Ein Paar Fasane, gut eingefettet und häufig begossen, auf persische Art mit Reis und Trauben gefüllt, langsam und lange im Topf gegart. Nicht zu vergessen ein Schlauch mit gutem, rosigem Wein, den sie teuer und unter Gefahren gekauft hatten. Mary war mit Rob auf den jüdischen Markt gegangen, wo Hinda zuerst heftig abstritt, daß sie Wein verkaufe, und sich ängstlich umsah, ob jemand mitgehört habe. Nach vielem Betteln und Bezahlen des dreifachen Preises hatte sie aus einem Getreidesack einen Schlauch ausgegraben, den Mary, vor den Blicken der mullahs im Gurt neben ihrem schlafenden Kleinen verborgen, heimbrachte.
    Bostock aß mit Genuß und erklärte nach einem kräftigen Rülpser, daß er in wenigen Tagen nach Europa abreisen werde. »Ich war froh, als ich endlich Persien erreicht hatte, wo ich Teppiche und schöne Wirkwaren gekauft habe. Aber ich werde nicht mehr hierher zurückkommen, denn es läßt sich wenig daran verdienen. Ich muß eine kleine Armee bezahlen, um die Waren sicher nach England zu bringen.«
    Bostock erzählte auch, daß er von England zuerst nach Rom gereist war. »Ich habe die Geschäfte mit der Überbringung einer Botschaft von Aethelnoth, dem Erzbischof von Canterbury, verbunden. Im Lateran-Palast versprach mir Papst Benedikt IX. reiche Belohnung für expeditiones in terra et mari , und er befahl mir im Namen Jesu Christi, meine Geschäftsreise über Konstantinopel zu nehmen, um dort dem Patriarchen Alexios Briefe des Papstes zu überreichen.«
    »Ein päpstlicher Legat!« rief Mary.
    Mehr ein Kurier als ein Legat, vermutete Rob geringschätzig, obwohl sich Bostock offensichtlich über Marys ehrfürchtiges Staunen freute. »Sechshundert Jahre lang hat die Ostkirche mit der westlichen Kirche in Fehde gelegen«, dozierte der Kaufmann wichtigtuerisch. »In Konstantinopel wird Alexios zum Ärgernis der Heiligen Kurie als dem Papst gleichgestellt angesehen. Die verdammten bärtigen Priester des Patriarchen heiraten, und sie beten weder zu Jesus und Maria, noch zeigen sie hinreichende Ehrfurcht vor der Heiligen Dreifaltigkeit. Deshalb bekommen sie immer wieder Beschwerdebriefe aus Rom.«
    Der Krug war leer, und Rob trug ihn ins benachbarte Zimmer, um ihn aus dem Weinschlauch nachzufüllen.
    »Seid Ihr Christin?«
    »Ja.«
    »Wie seid Ihr dann Sklavin dieses Juden geworden? Wurdet Ihr von Seeräubern oder Moslems gefangengenommen und an ihn verkauft?«
    »Ich bin seine Frau«, sagte sie klar und deutlich.

Weitere Kostenlose Bücher