Medicus 01 - Der Medicus
Im Nebenzimmer hörte Rob erbittert zu. Der Engländer verachtete ihn so, daß er nicht einmal den Versuch unternahm, leiser zu sprechen. »Ich könnte Euch und das Kind in meiner Karawane unterbringen. Ihr könntet eine Sänfte und Träger bekommen, bis Ihr nach der Entbindung wieder auf einem Pferd sitzen könnt.«
»Es kommt nicht in Frage, Master Bostock. Ich gehöre mit Freuden und vollem Einverständnis meinem Mann an«, lehnte Mary das Angebot ab, dankte ihm aber kühl dafür.
Rob Jeremy Cole hätte Bostock am liebsten zusammengeschlagen, aber als Jesse ben Benjamin befleißigte er sich orientalischer Gastfreundschaft und schenkte seinem Besucher Wein ein, statt ihn zu erwürgen. Dennoch verlief das weitere Gespräch kühl und knapp. Der englische Kaufmann verabschiedete sich, bald nachdem er gegessen hatte, und Rob und Mary blieben allein zurück. Jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt, während sie die Reste der Mahlzeit wegräumten.
Schließlich meinte sie: »Werden wir jemals in die Heimat zurückkehren?«
Er war erstaunt. »Selbstverständlich.«
»War Bostock nicht meine einzige Chance?«
»Das schwöre ich.«
Ihre Augen glänzten. »Er tut recht daran, eine Armee zum Schutz anzuheuern. Die Reise ist so gefährlich... Wie sollten zwei Kinder wohlbehalten so weit reisen?«
Er nahm sie vorsichtig in die Arme. »Nach unserer Ankunft in Konstantinopel werden wir Christen sein und uns einer starken Karawane anschließen.«
»Und von hier bis Konstantinopel?«
»Da habe ich auf der Reise etwas Wunderbares kennengelernt. Von Isfahan bis Konstantinopel werde ich Jesse ben Benjamin bleiben. Und wir werden von einem jüdischen Dorf nach dem anderen aufgenommen werden. Man wird uns verköstigen, beschützen und uns den Weg zeigen wie einem Mann, der einen gefährlichen Strom überquert, indem er von einem sicheren Stein auf den anderen tritt.« Er berührte ihr Gesicht, dann legte er ihr die Hand auf den großen, warmen Bauch und spürte, wie sich das Ungeborene bewegte. Es erfüllte ihn mit Dankbarkeit und Milde. Ja, so wird es sich abspielen, sagte er sich. Aber er konnte ihr nicht sagen, wann das sein würde.
Er hatte sich daran gewöhnt, im Schlaf seinen Körper an ihren großen, festen Bauch zu drücken, doch eines Nachts wachte er auf, weil er außer der Wärme auch Nässe spürte, und als er ganz zu sich gekommen war, fuhr er rasch in die Kleider, um die Hebamme Nitka zu holen. Obwohl sie daran gewöhnt war, daß Leute während der Nachtruhe an ihre Türe hämmerten, tauchte sie verärgert und mürrisch auf und befahl ihm, ruhig und geduldig zu sein. »Ihr Wasser ist abgegangen.«
»Schon gut, das ist in Ordnung«, brummte sie. Bald danach bildeten sie eine kleine Karawane, die durch die nachtdunkle Straße zog. Rob beleuchtete den Weg mit einer Fackel, Nitka folgte mit einem großen Sack voll gewaschener Lappen, dahinter kamen ihre beiden kräftigen Söhne, die unter dem Gewicht des Geburtsstuhls brummten und keuchten.
Chofni und Shemuel stellten den Stuhl neben den Kamin, und Nitka forderte Rob auf, ein Feuer zu entfachen, denn die Nachtluft war kühl. Mary bestieg den Stuhl wie eine nackte Königin den Thron. Als die Söhne fortgingen, nahmen sie Rob James mit, um auf ihn achtzugeben, während seine Mutter in den Wehen lag. In der Jehuddijeh halfen in solchen Fällen die Nachbarn einander, auch wenn es sich um eine Nichtjüdin handelte.
Mary verlor ihre königliche Haltung bei der ersten Wehe, und der kurrende, knirschende Schrei, der sich ihr entrang, erschreckte Rob. Der Stuhl war solide gebaut, so daß er Stößen und Schlägen standhielt, und Nitka befaßte sich mit dem Falten und Stapeln ihrer Lappen, ohne unruhig zu werden, während Mary sich an den seitlichen Lehnen des Stuhls festhielt und schluchzte. Ihre Beine zitterten die ganze Zeit über, aber während der schrecklichen Wehen bebten und zuckten sie. Nach der dritten Wehe stand Rob hinter ihr und zog ihre Schultern an die Rücklehne des Stuhles. Mary entblößte ihre Zähne und knurrte wie ein Wolf; er wäre nicht überrascht gewesen, wenn sie aufgeheult oder ihn gebissen hätte. Er hatte Männern Ghedmaßen abgeschnitten und sich an alle möglichen widerlichen Krankheiten gewöhnt, aber er spürte, wie er blaß wurde. Die Hebamme blickte ihn scharf an, nahm eine Fleischpartie auf seinem Arm zwischen ihre kräftigen Finger und kniff ihn. Der Schmerz belebte ihn wieder, und er brachte keine Schande über sich. »Raus«,
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