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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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besprühte deshalb seine Hände und Arme mit Parfüm.
    Draußen in der Dunkelheit wollte die Furcht noch immer nicht von ihm weichen. Er konnte selbst nicht glauben, was er da gewagt hatte. Es dämmerte beinahe, als er sich auf sein Lager legte. Am Morgen schlief er noch tief, und Marys Gesicht verwandelte sich zu Stein, als sie glaubte, den Blumenduft einer anderen Frau einzuatmen, der ihr Haus verpestete.

Ibn Sinas Irrtum
    Jussuf-al-Gamal zog Rob in das wissenschaftliche Dunkel der Bibliothek. »Ich möchte Euch einen Schatz zeigen.«
    Es war ein dickes Buch, eine offensichtlich neue Kopie von Ibn Sinas Meisterwerk >Der Kanon der Medizin<.
    »Dieses Exemplar ist eine von einem mir bekannten Schreiber angefertigte Abschrift des Originals aus dem Besitz des Hauses der Weisheit. Sie ist zu verkaufen.«
    Rob ergriff das Buch. Es war mit viel Liebe angefertigt, die Buchstaben standen schwarz und klar auf jeder der elfenbeinfarbenen Seiten. Es war ein Kodex, ein Buch mit vielen Lagen, großen Stücken aus Pergament, die gefaltet und dann so geschnitten worden waren, daß jede Seite unbehindert umgeblättert werden konnte. Die Lagen waren zwischen zwei Deckeln aus weich gegerbtem Schafleder sorgfältig eingenäht. »Ist es teuer?« Jussuf nickte. »Wieviel?«
    »Er will es für achtzig Silber- bestis verkaufen, weil er Geld braucht.« Rob schob die Unterlippe vor, weil er wußte, daß er nicht soviel Geld besaß. Mary verfügte noch über große Beträge, das Geld ihres Vaters, aber er und Mary waren nicht mehr... Rob schüttelte den Kopf.
    Jussuf seufzte. »Ich hatte das Gefühl, daß es Euch gehören sollte.«
    »Wann muß es verkauft werden?«
    Jussuf hob die Schultern. »Ich kann es noch zwei Wochen behalten.«
    »Also gut. Hebt es auf!«
    Der Bibliothekar sah ihn zweifelnd an. »Werdet Ihr dann das Geld haben, Hakim?«
    »Wenn es Gottes Wille ist.«
    Jussuf lächelte. »Ja, Imshallah .«

    Er brachte an der Tür der Kammer neben dem Leichenhaus ein kräftiges Schließband und ein schweres Schloß an. Dann trug er einen zweiten Tisch hinein, dazu einen Wetzstahl, eine Gabel, ein kleines Messer, mehrere scharfe Skalpelle und einen Grabstichel, den die Steinmetzen Meißel nennen, ein Zeichenbrett, Papier, Zeichenkohle und Graphitstifte, Lederriemen, Ton und Wachs, Federkiele und ein Tintenfaß.
    Eines Tages nahm er mehrere kräftige Studenten zum Markt mit, und sie brachten mit einiger Mühe ein frisch geschlachtetes Schwein zurück. Niemand schien etwas daran zu finden, daß er es in dem kleinen Raum sezieren wollte.
    In der darauffolgenden Nacht trug er allein die Leiche einer jungen Frau in die Kammer und legte sie auf den leeren Tisch. Sie war wenige Stunden zuvor gestorben und hatte Melia geheißen. Diesmal war er eifriger, und er hatte weniger Angst. Seiner Meinung nach hatte er Arzt werden dürfen, um zum Wohl von Gottes edelster Schöpfung zu wirken. Der Allmächtige würde es ihm bestimmt nicht übelnehmen, wenn er sein Wissen über ein so kompliziertes und interessantes Geschöpf erweiterte.
    Er schnitt das Schwein und die Frau auf, weil er die Anatomien der beiden sorgfältig miteinander vergleichen wollte. Kaum hatte er seine doppelte Untersuchung an jener Körperstelle begonnen, an der die Seitenkrankheit ausbricht, hielt er schon inne. Der Blinddarm des Schweins, der beutelförmige Schlauch, mit dem der Dickdarm begann, war stattlich, fast achtzehn Zoll lang. Der Blinddarm der Frau aber war winzig, nur zwei oder drei Zoll lang und nur so dick wie Robs kleiner Finger... Und siehe da! An diesem kleinen Schlauch hing noch etwas. Es sah aus wie ein kleiner rosa Wurm, den man im Garten entdeckt, aufgehoben und in den Bauch der Frau gesteckt hatte.
    Das Schwein auf dem anderen Tisch wies keinen Wurmfortsatz auf, und Rob hatte an einem Schweinedarm auch noch nie einen ähnlichen Fortsatz bemerkt. Zuerst glaubte er, daß die geringe Größe des Blinddarms der Frau eine Anomalie und der wurmartige Fortsatz eine seltene Geschwulst oder eine andere Wucherung war. Er machte Melias Leiche ebenso sorgfältig für die Bestattung zurecht wie die Qasims und trug sie wieder ins Leichenhaus. Doch in den folgenden Nächten öffnete er die Leichen eines jungen Bürschchens, einer Frau mittleren Alters und eines sechs Wochen alten Knaben. In jedem Fall stellte er mit zunehmender Erregung fest, daß der gleiche winzige Wurmfortsatz vorhanden war. Dieser Wurm war ein Teil jedes Menschen - ein winziger Beweis dafür, daß die

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