Medicus 01 - Der Medicus
Organe des Menschen nicht die gleichen waren wie die eines Schweines. O du verlogener Ibn Sma.
»Du verlogener alter Mann«, flüsterte er. »Du hast nicht recht!«
Trotz der Schriften des Celsus, trotz all dessen, was man tausend Jahre lang gelehrt hatte, war der Mensch einzigartig. Und wenn dem so war, wer wußte, wie viele wunderbare Geheimnisse entdeckt und gelöst werden konnten, indem man einfach in den Leichen von Menschen nachschaute?
Sein ganzes Leben lang war Rob allein und einsam gewesen, bis er Mary kennengelernt hatte. Und nun war er wieder einsam und konnte es nicht ertragen. Als er eines Nachts nach Hause kam, legte er sich neben sie zwischen die beiden schlafenden Kinder. Er traf keine Anstalten, sie zu berühren, doch sie wandte sich wie ein wildes Geschöpf um. Ihre Hand traf sein Gesicht mit einem brennenden Schlag. Sie war eine starke Frau und konnte einem durchaus Schmerz zufügen.
Er ergriff ihre Hände und hielt sie fest. »Du Närrin!«
»Komm nicht nach deinen persischen Huren zu mir!«
Ihm wurde klar, daß es das Parfüm sein mußte. »Ich verwende es, weil ich im maristan Tiere seziert habe.«
Einen Moment lang schwieg sie, versuchte jedoch, sich zu befreien. Er spürte den vertrauten Körper an dem seinen, während sie sich wehrte, und der Duft ihres roten Haares stieg ihm in die Nase.
»Mary!«
Sie beruhigte sich; vielleicht lag es an seiner Stimme. Als er sie küßte, hätte es ihn nicht überrascht, wenn sie ihn in die Lippen oder in den Hals gebissen hätte, doch sie tat nichts dergleichen. Er brauchte einen Augenblick, bis er begriff, daß sie seinen Kuß erwiderte. Er ließ ihre Hände los, und es tat ihm unendlich wohl, ihre Brüste berühren zu können, deren Warzen steif waren, aber nicht wie bei den Toten. Er konnte nicht unterscheiden, ob sie weinte oder nur erregt war, sie stöhnte leise. Er kostete ihre milchigen Brustwarzen und saugte an ihrem Nabel.
Als er in sie eindrang, bewegten sie sich gegeneinander wie klatschende Hände, stießen und schlugen, als versuchten sie, etwas zu zerstören, dem sie nicht gewachsen waren. Sie trieben den djinni aus, den Dämon. Ihre Nägel bohrten sich in seinen Rücken, als sie sich ihm entgegenwarf. Nur das leise Stöhnen und Klatschen der Paarung war zu hören, bis sie endlich aufschrie. Gleich darauf schrie er auf, dann brüllte Tarn, und Rob James erwachte schreiend. Alle vier lachten oder weinten, die Erwachsenen taten beides zugleich. Schließlich kehrte wieder Ruhe ein. Der kleine Rob James schlief ein, der Säugling wurde an die Brust genommen, und während sie ihn stillte, erzählte sie Rob, wie Ibn Sina zu ihr gekommen war und ihr geraten hatte, was sie tun müsse. Und so hörte er, wie seine Frau und der alte Mann ihm das Leben gerettet hatten.
Er war überrascht und erschüttert, als er von Ibn Sinas Eingreifen hörte. Was den Rest betraf, entsprach dieser ungefähr dem, was er angenommen hatte, und nachdem auch Tarn eingeschlafen war, schloß er sie in seine Arme und schwor ihr, daß sie auf ewig die einzige für ihn sei. Er strich ihr rotes Haar glatt und küßte ihren weißen Nacken, an den sich keine Sommersprossen wagten. Als sie einschlummerte, starrte er zur dunklen Decke hinauf.
Tarn sah Robs verschwundenem Bruder William Stewart erstaunlich ähnlich. Vor und nach der Zeit, die er in Ibn Sinas Auftrag in Idhaj verbracht hatte, hatte er mit Mary oft geschlafen. Wer konnte sagen, ob Tarn nicht die Frucht seines eigenen Samens war? Einige Wochen später liebten er und Mary einander zärtlich und liebevoll.
Bei aller Entspannung war es aber nicht das gleiche wie einst. Alles unterliegt dem Wandel, wurde ihm klar. Sie war nicht mehr die junge Frau, die ihm so vertrauensvoll ins Weizenfeld gefolgt war, und er war nicht mehr der junge Mann, der sie dorthin geführt hatte. Und das war nicht die kleinste der Schulden, die er Alã Shahansha unbedingt zurückzahlen wollte.
Der durchsichtige Mann
Im Osten erhob sich eine Staubwolke von solchen Ausmaßen, daß die Beobachtungsposten mit Bestimmtheit eine riesige Karawane oder vielleicht sogar mehrere große zu einem einzigen Zug vereinigte Karawanen erwarteten.
Statt dessen näherte sich der Stadt eine Armee. Als sie die Tore erreichte, konnte man erkennen, daß die Soldaten Afghanen aus Ghazna waren. Sie lagerten außerhalb der Mauern, und ihr Befehlshaber, ein junger Mann, der ein blaues Gewand und einen schneeweißen Turban trug, ritt in Begleitung von vier
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