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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Persönlichkeit in den Krieg zu schicken!« Al-Juzjani zuckte mit den Achseln. »Der Meister möchte noch einen letzten Feldzug mitmachen.«
    »Er ist alt und wird ihn nicht überleben.«
    »Er hat schon immer alt ausgesehen, ist aber noch nicht einmal sechzig.« Al-Juzjani seufzte bekümmert. »Er hofft wahrscheinlich, daß ihn ein Pfeil oder Speer treffen wird. Es wäre keine Tragödie, einen rascheren Tod zu erleiden als den, mit dem er zu rechnen hat.« Ibn Sina verlautbarte bald, daß er eine Gruppe von elf Chirurgen ausgewählt habe, die mit ihm die persische Armee begleiten würden. Nun erhielt al-Juzjani den Titel Arzt aller Ärzte verliehen. Es war eine grausame Beförderung, weil sie der Ärzteschaft klarmachte, daß Ibn Sina nicht mehr ihr Leiter war.
    Zu Robs Überraschung und Bestürzung übertrug man ihm einige der Pflichten, die al-Juzjani von Ibn Sina übernommen hatte, obwohl es erfahrenere Ärzte gab, die al-Juzjani hätte dazu bestimmen können Auch waren fünf von den zwölf Ärzten, die zum Heer gingen, Lehrer und man erwartete nun von ihm, daß er öfter eine Vorlesung hielt und unterrichtete, wenn er seine Patienten im maristan besuchte. Außerdem wurde er zum ständigen Mitglied der Prüfungskommission ernannt und ersucht, im Komitee mitzuwirken, das die Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Schule überwachte. Die erste Zusammenkunft des Komitees, bei der er anwesend war, fand in dem prächtigen Haus von Rotun ben Nasr, dem Leiter der Schule, statt. Es war eine ehrenamtliche Tätigkeit, und Rotun gab sich nicht die Mühe, der Versammlung beizuwohnen, aber er hatte sein Haus zur Verfügung gestellt und angeordnet, daß den teilnehmenden Ärzten eine ausgezeichnete Mahlzeit aufgetischt wurde.
    Der erste Gang bestand aus Schnitten von großen Melonen mit grünem Fleisch, das von besonderem Geschmack und zarter Süße war. Rob hatte solche Melonen nur einmal zuvor gegessen und wollte eine Bemerkung darüber machen, als sein ehemaliger Lehrer Jalal-al-Din grinsend meinte: »Wir können der neuen Frau Rotun ben Nasrs für die köstlichen Früchte danken.« Rob verstand nichts.
    Der Knocheneinrichter zwinkerte. »Rotun ben Nasr ist General und ein Vetter des Schahs, wie Ihr vielleicht wißt. Alã war vorige Woche hier zu Besuch, um den Feldzug zu planen, und dabei hat er zweifellos die jüngste Frau des Hauses kennengelernt. Sobald der königliche Samen versenkt ist, folgen immer als Geschenk Alãs besondere Melonen. Und wenn der Samen einen männlichen Sproß treibt, dann gibt es als fürstliches Geschenk einen Teppich mit dem Samaniden-Wappen.«

    Es war Rob nicht mehr möglich, bei der Mahlzeit sitzen zu bleiben, sondern er gab vor, daß er sich nicht wohl fühle, und verließ die Versammlung. Tief erschüttert ritt er geradewegs zu seinem Haus in der Jehuddijeh. Rob James spielte draußen im Garten mit seiner Mutter. Der Säugling lag in der Wiege, und Rob hob Tarn hoch, um ihn zu betrachten.
    Ein kleines Neugeborenes, dasselbe Kind, das er geliebt hatte, als er an diesem Morgen das Haus verlassen hatte.
    Er legte den Knaben wieder in die Wiege, ging zu der Sandelholztruhe, nahm den vom Schah geschenkten Teppich heraus und breitete ihn neben der Wiege auf dem Boden aus.
    Als er aufblickte, stand Mary im Türrahmen. Sie blickten einander an. Da wurde die Vermutung zur Gewißheit, und der Schmerz, aber auch das Mitleid, das er für sie empfand, zerrissen ihm das Herz.
    Er trat zu ihr und wollte sie in die Arme schließen, doch seine Hände umklammerten sie. Er versuchte zu sprechen, doch er brachte kein Wort heraus. Sie riß sich von ihm los und knetete ihre Oberarme.
    »Deinetwegen sind wir noch hier. Meinetwegen sind wir noch am Leben«, sagte sie verächtlich. Die Traurigkeit in ihrem Blick hatte sich in Kälte, ins Gegenteil von Liebe, verwandelt.
    Am Nachmittag zog sie aus dem gemeinsamen Zimmer aus. Sie kaufte einen schmalen Strohsack und legte ihn zwischen die Schlafstellen ihrer Kinder neben den Teppich des Samaniden-Fürsten.

Qasims Kammer
    Er konnte diese Nacht nicht schlafen, fühlte sich wie behext, als wäre ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden, und er müßte einen weiten Weg durch die Luft zurücklegen. Es wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn jemand in seiner Lage Mutter und Kind getötet hätte, aber er wußte, daß Tarn und Mary im Raum nebenan vor ihm sicher waren. Er wurde zwar von verrückten Gedanken geplagt, aber er war nicht verrückt.
    Am Morgen stand er

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