Medicus 01 - Der Medicus
zu geraten, empfand Rob Erleichterung darüber, denn er hatte sich unüberlegt angeboten und dies bereits bedauert, da es weder sinnvoll noch eine Ruhmestat war, neben dem Schah zu sterben.
Doch das Falkengesicht wurde weich, und Alã Shahansha blieb stehen, bevor er ging. »Es war ein ritterliches Angebot«, sagte er. »Denk nach, was du dir als Belohnung wünschst. Wenn ich zurückkomme, werde ich dir einen calãt verleihen.«
Rob stieg eine schmale Steintreppe zu den höchsten Zinnen des Hauses des Paradieses empor. Von diesem luftigen Standort aus sah er dje Häuser des vornehmen Viertels von Isfahan, die Perser, die auf der Stadtmauer standen, die Ebene vor ihnen und das Lager des Ghazna-Heeres, das sich bis zu den Hügeln erstreckte. Er wartete lange, während der Wind ihm Haar und Brust zauste, ohne daß Alã erschien.
Dann begann er sich Vorwürfe zu machen, weil er den Schah nicht getötet hatte. Er war sicher, daß Alã ihn übertölpelt hatte und daß ihm die Flucht geglückt war. Doch jetzt sah er ihn.
Das Westtor lag außerhalb seiner Sichtweite, doch in dieser Richtung, auf der flachen Ebene jenseits der Mauer, tauchte der Schah auf. Er ritt sein vertrautes Pferd, den wilden, schönen weißen Araberhengst, der den Kopf hochwarf und ungebärdig tänzelte.
Rob sah zu, wie Alã auf das feindliche Lager zuritt. Als er nahe genug war, zugehe er sein Pferd, richtete sich in den Steigbügeln auf und rief seine Herausforderung. Rob konnte die Worte nicht verstehen, hörtc nur ein fernes unverständliches Geschrei. Aber einige von den Leuten des Schahs konnten ihn hören. Sie waren mit der Legende von Ardewan und Ardashir und ihrem Duelle, um einen ersten shahansha zu küren, aufgewachsen, und von den Mauerzinnen erklangen vielfältige Jubelrufe. Im Ghazna-Lager verließ eine kleine Gruppe von Reitern der. Bereich der Offizierszelte. Ihr Anführer trug einen weißen Turban, aber Rob konnte nicht erkennen, ob es Masũd war. Wo immer Masũd sich befand - falls er überhaupt je von Ardewan und Ardashir und dem alten Kampf um das Recht gehört hatte, König der Könige zq werden, er kümmerte sich nicht um Legenden. Aus den Reihen der Afghanen löste sich ein Trupp von Bogenschützen auf schnellen Pferden.
Alãs Schimmelhengst war das schnellste Roß, das Rob je gesehen hatte, aber sein Reiter versuchte nicht zu entrinnen. Wieder erhob er sich in den Steigbügeln. Diesmal war Rob sicher, daß er dem jungen Sultan, der nicht kämpfen wollte, Schmähungen und Beschimpfungen zuschrie.
Als die Soldaten ihn beinahe erreicht hatten, spannte Alã den Bogen und begann zu fliehen. Aber der freie Raum war eng begrenzt. Er ritt scharf, drehte sich im Sattel um und schoß einen Pfeil ab, der den führenden Afghanen fällte: ein vollendeter Partherschuß, der den Zuschauern auf der Mauer Beifallsrufe entlockte. Aber als Antwort traf ihn ein Hagel von Pfeilen.
Vier Pfeile trafen auch sein Pferd. Aus dem Maul des Hengstes trat blutiger Schaum. Der Schimmel wurde langsamer, dann hielt er an und schwankte, bevor er mit seinem toten Reiter zu Boden stürzte. Rob wurde unvermutet von Trauer ergriffen.
Er sah zu, wie sie ein Seil an Alãs Knöcheln befestigten und ihn dann zum Ghazna-Lager schleppten, wobei sie eine Wolke aus Staub aufwirbelten. Aus einem Rob unverständlichen Grund störte ihn besonders die Tatsache, daß sie den König mit dem Gesicht nach unten über den Boden schleiften.
Er lenkte den braunen Wallach zur Koppel hinter den königlichen Ställen und nahm ihm den Sattel ab. Es war schwierig, das mächtige Tor allein zu öffnen, aber der Platz war ebenso unbewacht wie der Rest des Hauses des Paradieses, und er wurde damit fertig. »Leb wohl, Freund!« sagte er.
Er schlug das Pferd auf die Kruppe, und als es sich zu der Herde gesellte, schloß er sorgfältig das Tor. Gott allein wußte, wem das braune Pferd am nächsten Morgen gehören würde. Auf der Kamelkoppel nahm er zwei Halfter von den Geschirren, die in einem offenen Schuppen hingen, und suchte zwei junge, kräftige Kamelstuten aus, die ihm gefielen. Sie knieten im Staub, käuten wieder und beobachteten ihn.
Die erste versuchte, ihm den Arm abzubeißen, als er mit dem Zaumzeug näher kam. Aber Mirdin, der sanfteste aller Männer, hatte ihm gezeigt, wie man mit Kamelen umging, und er versetzte dem Tier einen so kräftigen Schlag in die Rippen, daß es seinen Atem zwischen den quadratischen gelben Zähnen herauspfiff. Nun war das Kamel gefügig, und
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