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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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anbissen.
    Ihre Weidenruten lagen bewegungslos auf zwei Astgabeln, die im Boden steckten.
    »Es ist zu spät im Jahr, da beißen keine Forellen mehr auf Regenwürmer an«, murmelte der Bader. »In zwei Wochen, wenn es Heuschrecken auf den Feldern gibt, wird man die Fische rascher fangen.«
    »Wie erkennen männliche Würmer den Unterschied?« fragte Rob. Der Bader, der halb schlief, lächelte. »Zweifellos sehen alle Würmer in der Dunkelheit gleich aus - wie die Frauen.«
    »Frauen sehen weder bei Tag noch bei Nacht gleich aus«, widersprach Rob. »Sie sind einander ähnlich, doch jede riecht und schmeckt verschieden, fühlt sich anders an.«
    Der Bader seufzte. »Das ist das große Geheimnis, das die Männer anlockt.«
    Rob stand auf und ging zum Wagen. Als er zurückkam, hielt er ein glattes Stück Fichtenrinde in der Hand, auf das er mit Tusche das Gesicht eines Mädchens skizziert hatte. Er hockte sich neben den Bader und hielt es ihm hin. »Erkennt Ihr sie?« Der Bader betrachtete die Zeichnung. »Es ist das Mädchen von letzter Woche, die Kleine aus St. Ives.«
    Rob nahm sein Werk zurück und betrachtete es zufrieden. »Warum hast du ihr das hässliche Mal auf die Wange gezeichnet?«
    »Das Mal war da.«
    Der Bader nickte. »Ich erinnere mich. Aber du kannst sie mit Gänsekiel und Tusche hübscher erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit ist. Warum ermöglichst du ihr nicht, sich vorteilhafter zu sehen, als die Welt sie sieht?«
    Rob runzelte die Stirn und war verwirrt, ohne zu wissen, warum. Er musterte das Bild. »Jedenfalls hat sie die Zeichnung nicht gesehen, weil ich sie angefertigt habe, nachdem ich sie verlassen hatte.«
    »Aber du hättest doch nach der Natur zeichnen können.« Rob hob lächelnd die Schultern.
    Der Bader setzte sich hellwach auf. »Nun wird es Zeit, deine Begabung praktisch auszuwerten«, sagte er.

    Am nächsten Morgen machten sie bei einem Holzfäller halt und ersuchten ihn, Scheiben von einem Fichtenstamm abzuschneiden. Die Holzscheiben waren eine Enttäuschung, denn sie waren so stark gemasert, dass man kaum mit Kiel und Tusche auf ihnen zeichnen konnte. Aber die Scheiben von einer jungen Buche erwiesen sich als glatt und hart, worauf der Holzfäller bereitwillig eine mittelgroße Buche für sie zersägte, die sie mit einer Münze bezahlten. An diesem Nachmittag verkündete der Bader nach der Vorstellung, dass sein Mitarbeiter kostenlos Porträts von einem halben Dutzend Einwohner von Chipping Norton anfertigen würde. Die Folge waren ein Mordsgedränge und große Aufregung. Die Menge versammelte sich um Rob und sah neugierig zu, wie er die Tusche anrieb. Aber er war schon ein erfahrener Gaukler, und prüfende Blicke machten ihm nichts aus. Auf jede Holzscheibe zeichnete er ein Gesicht: eine alte Frau, zwei Jungen, zwei Milchmädchen, die nach Kuhstall rochen, und einen Mann mit einer Warze auf der Nase.
    Die Frau hatte tiefliegende Augen und einen zahnlosen Mund mit faltigen Lippen. Einer der Jungen war dick und hatte ein rundliches Gesicht, und es kam Rob vor, als male er Gesichtszüge auf einen Kürbis. Die Mädchen waren Schwestern und sahen einander so ähnlich, dass es eine Herausforderung darstellte, die fast unmerklichen Unterschiede festzuhalten; der Versuch misslang, denn sie hätten ihre Porträts vertauschen können, ohne es zu bemerken. Von den sechs Zeichnungen war Rob nur mit dem letzten Porträt zufrieden. Der Mann war nicht mehr jung, und seine Augen und jede Linie seines Gesichts zeugten von Schwermut. Ohne zu wissen, wie, hatte Rob die Traurigkeit festgehalten, und ohne zu zögern zeichnete er die Warze auf der Nase. Der Bader erhob keinen Einspruch, denn alle Abgebildeten waren mit ihrem Konterfei sichtlich zufrieden, und es gab andauernden Beifall von den Zuschauern.
    »Wenn ihr sechs Flaschen kauft, bekommt ihr- gratis, meine Freunde! -ein solches Porträt«, brüllte der Bader, hielt das universelle Spezificum in die Höhe und ließ seinen immer gleichbleibenden Vortrag vom Stapel.
    Bald hatte sich vor Rob, der eifrig zeichnete, eine Schlange gebildet. Eine noch längere Schlange stand vor dem Podium, auf dem der Bader stand und seine Medizin verkaufte.

    Seit König Knut die Jagdgesetze gemildert hatte, bekam man in den Fleischerläden ab und zu Wildbret. Auf dem Marktplatz von Aldreth kaufte der Bader einen großen Rehrücken. Er rieb ihn mit wildem Knoblauch ein und brachte tiefe Schnitte an, die er mit kleingewürfeltem Schweinespeck und Zwiebeln

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