Medicus 01 - Der Medicus
füllte; die Außenseite bestrich er reichlich mit süßer Butter und begoss sie während des Bratens andauernd mit einer Mischung aus Honig, Senf und braunem Ale. Rob aß herzhaft, aber der Bader aß das meiste selbst, dazu eine erstaunliche Menge Rübenmus und einen Laib frisches Brot. »Noch ein kleines Stückchen, um bei Kräften zu bleiben.« Er grinste. Seit Rob ihn kannte, hatte er eine Menge zugenommen, vielleicht an die achtzig Pfund. Er hatte einen Specknacken, seine Unterarme waren dick wie Schenkel und sein Bauch segelte vor ihm her wie ein geblähtes Segel in einer steifen Brise. Sein Durst war ebenso erstaunlich wie sein Appetit.
Zwei Tage, nachdem sie Aldreth verlassen hatten, kamen sie endlich in das Dorf Ramsey, wo der Bader im Wirtshaus die Aufmerksamkeit des Besitzers erregte, indem er wortlos zwei Krüge Ale nacheinander in sich hineinschüttete, bevor er rülpste und zur Sache kam: »Wir suchen eine Frau namens Della Hargreaves.« Der Wirt zuckte kopfschüttelnd mit den Achseln. »Ihr Mann hieß Hargreaves. Sie ist Witwe. Vor vier Jahren zog sie hierher zu ihrem Bruder. Seinen Namen kenne ich nicht, aber ich bitte Euch nachzudenken, denn das ist ja nur ein kleiner Ort.« Der Bader bestellte weiteres Ale, um ihn zu ermutigen. Der Wirt sah ihn ausdruckslos an.
»Oswald Sweeter«, flüsterte seine Frau, die das Getränk auftrug. »Ah ja, Sweeters Schwester«, erinnerte sich nun der Mann und nahm des Baders Geld entgegen.
Oswald Sweeter war der Dorfschmied von Ramsey. Er war so kräftig wie der Bader, bestand aber nur aus Muskeln.
»Della? Ich habe sie bei mir aufgenommen, mein Fleisch und Blut. Meine Frau war freundlich zu ihr, aber Della hat ein Talent dafür, sich vor der Arbeit zu drücken. Die beiden Frauen haben sich nicht vertragen. Della verließ uns nach einem halben Jahr.«
»Wohin ist sie gezogen?«
»Nach Bath.«
»Was macht sie in Bath?«
»Das gleiche wie hier, bevor wir sie aus dem Haus gejagt haben«, antwortete Sweeter ruhig. »Sie ist mit einem Mann abgehauen wie eine Ratte.«
»In London war sie jahrelang unsere Nachbarin. Dort galt sie als achtbar«, verteidigte sie Rob, obwohl er sie nicht gemocht hatte.
»Junger Mann, heute ist meine Schwester eine Schlampe, die lieber die Beine breit macht, als ihren Lebensunterhalt mit ehrlicher Arbeit zu verdienen. Sie können sie überall dort finden, wo es Huren gibt.«
Sweeter beendete das Gespräch, indem er ein weißglühendes Eisen aus dem Feuer nahm und wild darauf hämmerte, so dass ihnen ein wilder Schauer von Funken durch die Tür folgte.
Es regnete eine Woche lang, als sie die Küste entlangfuhren. Dann krochen sie eines Morgens aus ihrem feuchten Nachtlager unter dem Wagen und gewahrten einen so lieblichen, strahlenden Tag, dass alles vergessen war außer der herrlichen Tatsache, dass sie frei und ungebunden waren. »Machen wir eine Spazierfahrt durch die jungfräuliche Welt!« rief der Bader, und Rob wusste genau, was er meinte, denn trotz seines Bedürfnisses, die Geschwister zu finden, fühlte er sich an so einem Tag jung, gesund und voll Leben.
Sie fuhren langsam auf einem Waldweg, der ihnen abwechselnd warmen Sonnenschein und erfrischenden, kühlen Schatten bot. »Was kannst du dir mehr wünschen?« fragte der Bader. »Waffen«, antwortete Rob sofort.
Des Baders Lächeln verschwand. »Ich werde dir keine Waffen kaufen«, stellte er kurz und bündig fest.
»Ich brauche kein Schwert. Aber ein Dolch wäre angebracht, man könnte uns ja überfallen.« Sie fuhren schweigend weiter.
Jahrhunderte, während denen sie bewaffnet überfallen wurden, hatten jeden Engländer dazu gebracht, wie ein Soldat zu denken. Unfreie durften laut Gesetz keine Waffen tragen, und Lehrlinge konnten sich keine leisten. Aber jeder Mann, der sein Haar lang trug, zeigte seine freie Geburt durch das Tragen von Waffen an.
Es stimmte: Ein schwacher Mann mit einem Messer konnte einen unbewaffneten kräftigen Jungen mühelos töten, gestand sich der Bader widerstrebend ein.
»Du solltest mit Waffen umgehen können, bis du einmal welche besitzen darfst«, befand er. »Es ist ein Teil der Lektionen, den ich bisher vernachlässigt habe. Daher werde ich dich im Gebrauch von Schwert und Dolch unterrichten.« Rob strahlte. »Danke, Bader.«
Auf einer Lichtung stellten sie sich einander gegenüber auf, und der Bader zog einen Dolch aus dem Gürtel.
»Du darfst ihn nicht halten wie ein Kind, das in einem Ameisenbau stochert. Halte das Messer im
Weitere Kostenlose Bücher