Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
erkältet hatte und bald die Beschwerden los sein würde.
    Er sah keinen Grund, dem Bader zu widersprechen; allmählich merkte er aber, dass seine Gabe es ihm nicht nur ermöglichte, den Tod eines Menschen vorauszusagen, sondern dass sie auch nützlich sein konnte, um eine Krankheit zu erkennen und vielleicht den Lebenden zu helfen.

    Tatus zog den roten Wagen langsam nach Norden über die englische Erde von Dorf zu Dorf, von denen manches zu klein war, um einen Namen zu haben. Wann immer sie zu einem Kloster oder einer Kirche kamen, wartete der Bader geduldig im Wagen, während sich Rob nach Vater Ranald Lovell und einem Jungen namens William Stewart Cole erkundigte. Doch niemand hatte je von ihnen gehört. Irgendwo zwischen Carlisle und Newcastle-upon-Tyne kletterte Rob auf einen Steinwall, den Hadrians Kohorten neunhundert Jahre zuvor errichtet hatten, um England vor schottischen Plünderern zu schützen. Er war zwar noch in England, aber seine Gedanken wanderten nach Schottland hinüber, und er machte sich klar, dass die größte Aussicht, jemanden von seinen Geschwistern zu treffen, in Salisbury bestand, wohin die Haverhills seine Schwester Anne Mary mitgenommen hatten.
    Als sie endlich Salisbury erreichten, machte die Bäckerzunft zunächst einen Strich durch seine Rechnung. Der Zunftmeister der Bäcker hieß Cummings. Er war untersetzt und sah aus wie ein Frosch. Er war zwar nicht so schwer wie der Bader, aber wohlbeleibt, wie es seinem Beruf entsprach. »Ich kenne keine Haverhills.«
    »Könntet Ihr nicht in Euren Aufzeichnungen nachsehen?«
    »Hör zu, es ist Jahrmarkt. Viele Angehörige meiner Zunft beteiligen sich an dem Jahrmarkt in Salisbury, wir wissen nicht, wo uns der Kopf steht. Du musst uns nach dem Jahrmarkt aufsuchen.« Während des Jahrmarktes war er beim Jonglieren, beim Aderlassen und bei der Behandlung der Kranken nur halb bei der Sache und hielt ständig nach einem vertrauten Gesicht Ausschau, um vielleicht das junge Mädchen zu erblicken, das Anne Mary sein musste. Er sah sie nicht.
    Am Tag nach dem Jahrmarkt betrat er wieder das Gebäude der Bäckerzunft von Salisbury. Es war ein sauberes, anziehendes Haus, und trotz seiner Unruhe fragte er sich, warum die Häuser anderer Zünfte immer besser gebaut waren als die der Zimmerleute. »Ah, der junge Bader!« Cummings begrüßte ihn jetzt freundlicher und war auch zugänglicher. Er blätterte in dicken Büchern, dann schüttelte er den Kopf. »Wir hatten niemals einen Bäcker namens Haverhill.«
    »Es war ein Mann mit seiner Frau«, sagte Rob. »Sie haben ihren Pastetenladen in London verkauft und wollten hierher ziehen. Sie haben ein kleines Mädchen bei sich, das meine Schwester ist. Sie heißt Anne Mary.«
    »Es ist klar, was geschehen ist, junger Chirurg. Nachdem sie ihren Laden verkauft hatten, fanden sie auf dem Weg hierher eine bessere Gelegenheit. Vielleicht erfuhren sie von einer Ortschaft, die dringend einen Bäcker brauchte.«
    »Ja, das klingt einleuchtend.« Rob dankte dem Mann und kehrte zum Wagen zurück.
    Der Bader war sichtlich enttäuscht, sprach ihm aber Mut zu. »Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben! Eines Tages wirst du sie wiederfinden, du wirst sehen.«
    Rob kam es jedoch vor, als habe sich die Erde geöffnet und die Lebenden wie die Toten verschlungen. Die geringe Hoffnung, die er noch gehegt hatte, erschien ihm jetzt töricht. Er ahnte, dass die Tage eines eventuellen Familienlebens wirklich vorbei waren, und zwang sich fröstelnd zuzugeben, dass er seiner Zukunft höchstwahrscheinlich allein die Stirn bieten musste.

Der Geselle
    Einige Monate vor dem Ende von Robs Lehrzeit saßen sie bei braunem Ale im Gastraum des Wirtshauses in Exeter und unterhielten sich vorsichtig über die Bedingungen für Robs Anstellung als Geselle. Der Bader trank schweigend, scheinbar gedankenverloren, und bot ihm schließlich ein kleines Gehalt an. »Dazu eine Garnitur neuer Kleidungsstücke«, verbesserte er sein Angebot, als hätte er einen Anfall von Großzügigkeit.
    Rob war nicht umsonst seit vielen Jahren mit ihm zusammen. Er hob unschlüssig die Schultern. »Es zieht mich nach London«, erklärte er und füllte ihre Krüge nach.
    Der Bader nickte. »Jedes Jahr eine vollständige Garnitur Kleidungsstücke, ob du sie brauchst oder nicht«, fügte er hinzu, nachdem er Robs Gesicht gemustert hatte.
    Sie bestellten zum Abendessen eine Wildkaninchenpastete, die Rob mit Appetit verzehrte. Der Bader beschäftigte sich mehr mit dem Wirt als

Weitere Kostenlose Bücher