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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Angst eingejagt.
    Der >Alte< trat in einem schäbigen Mantel zum erstenmal in Tadcaster in Erscheinung, während der Bader einen Vortrag über die bemerkenswert verjüngenden Kräfte seines Umversal-Spezificums hielt. Rob hinkte mühsam herbei und kaufte eine Flasche.
    »Ich bin zweifellos ein alter Narr, weil ich mein Geld so hinauswerfe«, jammerte er mit brüchiger Stimme. Er öffnete die Flasche unter Schwierigkeiten, trank sie auf der Stelle aus und näherte sich prompt einer Kellnerin, die schon eingeweiht und entlohnt worden war. »Du bist aber hübsch«, seufzte er, und das Mädchen blickte rasch, gleichsam verlegen, weg. »Würdest du mir einen Gefallen erweisen, meine Liebe?«
    »Wenn ich kann.«
    »Leg nur deine Hand auf mein Gesicht, nur die zarte, warme Handfläche auf die Wange eines alten Mannes!
    Aaaah«, hauchte er, als sie seiner Bitte schüchtern entsprach.
    Gekicher erhob sich, als er die Augen schloss und ihre Finger küßte. Einen Augenblick später riss er die Augen weit auf. »Beim gesegneten heiligen Antomus!« hauchte er. »Oh, es ist höchst ungewöhnlich.« Er hinkte so schnell wie möglich zum Podium zurück. »Gebt mir noch eine Flasche!« bat er den Bader und trank sie sofort.
    Als er wieder zu der Kellnerin zurückkam, entfernte sie sich, und er folgte ihr. »Ich bin Euer ergebener Diener«, säuselte er eifrig. »Mistress...« Er beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. »Oh, Sir, so dürft Ihr nicht sprechen!« Sie ging weiter, und die Menge krümmte sich vor Lachen, als er ihr nachtrippelte.
    Als der >Alte< wenige Minuten später mit der Kellnerin am Arm davonhinkte, johlten alle beifällig und entrichteten dann, noch immer lachend, dem Bader eilig ihre Pennies.

    Bald mussten sie keine Frau mehr dafür bezahlen, mit dem >Alten< zu tändeln, denn Rob lernte schnell, Frauen in der Menge in sein Spiel zu verwickeln.
    Er spürte es, wenn eine ehrbare Frau beleidigt war und man sie in Ruhe lassen musste oder wenn sich eine kühnere Frau durch ein derberes Kompliment oder ein rasches Kneifen herausgefordert fühlte. In Lichfield trug er eines Abends das Kostüm des >Alten< im Wirtshaus, und bald brüllten die Trinker und wischten sich die Tränen aus den Augen, als er in seinen Liebesabenteuern schwelgte. »Früher war ich ganz schön geil. Ich weiß noch genau, wie ich eine dralle Schönheit gebumst habe... Haare wie ein schwarzes Vlies, Titten, die man saugen mußte. Ein duftender Schamwald wie dunkle Schwanendaunen. Während hinter der Wand ihr grimmiger Vater, der halb so alt war wie ich, sanft und ahnungslos schlief.«
    »Und wie alt warst du damals, Alter?«
    Langsam richtete er seinen gichtigen Rücken auf. »Drei Tage jünger als heute«, antwortete er mit seiner rauhen, jungen Stimme, und den ganzen Abend stritten die Dummköpfe darum, wer seine Zeche bezahlen durfte.
    In dieser Nacht half zum erstenmal der Bader seinem Gehilfen zu ihrem Lager zurück, statt von ihm auf dem Weg dorthin gestützt zu werden.

    Der Bader tröstete sich, indem er aß. Er briet Kapaune und Enten, stopfte sich buchstäblich mit Geflügel voll. In Worcester kam er dazu, als ein Paar Ochsen geschlachtet wurde, und er kaufte ihre Zungen.
    Das war ein Genuß!
    Er kochte die großen Zungen kurz, bevor er sie putzte und die Haut abzog, dann briet er sie mit Zwiebeln, wildem Knoblauch und Rüben, begoß sie mit Thymianhonig und ausgelassenem Speck, bis die Kruste süß und knusprig und das Fleisch innen so zart und weich war, dass man es kaum kauen mußte.
    Rob kostete die feinen, üppigen Speisen kaum, weil er es so eilig hatte, ejne neue Schenke zu finden, in der er den alten Esel spielen konnte. Und in jedem Lokal versorgten ihn die Zecher ständig mit Getränken, per Bader wusste, dass Rob gern Ale oder dunkles Bier trank, doch jetzt bemerkte er beunruhigt, dass sein Geselle auch Met, Pigment oder ftlorat akzeptierte - was immer er bekam.
    Der Bader wartete auf einen Hinweis Robs, dass das viele Trinken seinem Geldbeutel nicht bekomme. Doch ganz gleich, wie sehr Rob die Nacht zuvor auch getrunken und erbrochen hatte, er verrichtete seine Arbeit wie früher - bis auf eines.
    »Du nimmst nicht mehr ihre Hände, wenn sie hinter deinen Wandschirm kommen«, stellte der Bader fest. »Ihr ja auch nicht.«
    »Ich besitze die Gabe nicht.«
    »Die Gabe? Ihr habt immer behauptet, dass es so etwas nicht gibt.«
    »Jetzt glaube ich, dass es sie doch gibt. Ich meine aber, dass sie durch Trinken vermindert

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