Medicus 01 - Der Medicus
wird und dass sie bei regelmäßigem Alkoholgenuß ganz verschwindet.«
»Wir haben sie uns nur eingebildet, habt Ihr doch gesagt!«
»Hör gut zu! Ob nun die Gabe verschwunden ist oder nicht, du wirst die Hände jedes Patienten ergreifen, wenn er hinter deinen Wandschirm tritt, denn es gefällt ihnen offensichtlich. Hast du verstanden?« Rob nickte mürrisch.
In Great Berkhamstead gaben sie eine gut besuchte Vorstellung und verkauften eine Menge Spezificum. In dieser Nacht gingen der Bader und Rob zusammen ins Wirtshaus, um sich zu versöhnen. Anfangs ging alles gut, aber sie tranken starken Morat, der leicht nach bitteren Maulbeeren schmeckte. Der Bader sah, wie Robs Augen zu glänzen begannen, und er fragte sich, ob sein Gesicht beim Trinken ebenfalls so rot anlief. Bald war Rob so weit, dass er einen großen, stämmigen Holzfäller beschimpfte. Einen Augenblick später gerieten sie einander in die Haare. Sie waren gleich stark, und ihre Rauferei verlief erbittert wie eine Art Stumpfsinn. Vom Morat benebelt, standen sie dicht voreinander, schlugen immer wieder mit aller Kraft mit Fäusten, Knien sowie Füßen aufeinander ein, wobei die Schläge und Tritte wie Hämmer auf Eichen klangen.
Als sie schließlich erschöpft waren, konnten sie von einer kleinen Schar von Friedensstiftern getrennt werden, und der Bader führte Rob weg.
»Betrunkener Narr!«
»Ihr habt es nötig«, sagte Rob.
Vor Zorn bebend, blitzte der Bader seinen Gehilfen an. »Vielleicht bin ich auch ein betrunkener Narr«, gab er zu, »aber ich habe immer Verdruß vermieden. Ich habe niemals Gift verkauft. Ich habe nichts mit Magie zu tun, die jemanden verzaubert oder böse Geister beschwört. Ich kaufe nur große Mengen Alkohol und biete den Leuten Unterhaltung, die es mir ermöglicht, kleine Flaschen mit einem anständigen Gewinn zu verkaufen.
Voraussetzung für diesen Lebensunterhalt aber ist, dass wir keine Aufmerksamkeit erregen. Deshalb muss deine Dummheit ein Ende haben. Deine Hände dürfen sich nicht zu Fäusten ballen!«
Sie starrten einander an, aber Rob nickte.
Von diesem Tag an befolgte Rob des Baders Befehl gegen seinen Willen, während sie ihren Wagen nach Süden lenkten und mit den Zugvögeln um die Wette dem Herbst entgegenfuhren. Der Bader wählte einen Umweg um den Jahrmarkt in Salisbury, denn ihm war klar, dass dieser Ort bei Rob alte Wunden aufreißen würde. Doch Rob widerfuhr etwas ganz anderes. Als sie in Winchester statt in Salisbury Rast machten, kehrte er in der Nacht schwankend zum Lagerfeuer zurück. Sein Gesicht war grün und blau geschlagen, und es war klar, dass er wieder in eine Rauferei geraten war.
»Wir sind heute morgen, während du die Zügel gehalten hast, an einer Abtei vorbeigekommen, doch du hast nicht angehalten, um nach Vater Ranald Lovell und deinem Bruder zu fragen.«
»Die Fragerei hat keinen Sinn.
Wo immer ich nach ihnen frage, kennt sie niemand.«
Rob sprach auch nicht mehr davon, dass er Anne Mary, William, Jonathan oder Roger finden wolle, den Bruder, den er zuletzt als Säugling gesehen hatte. Der Bader wusste freilich nicht, ob die Tatsache, dass Rob sich mit dem Verlust seiner Geschwister abgefunden hatte, gut war oder nicht.
Dieser Winter war der unangenehmste, den sie je in dem kleinen Haus in Exmouth verbracht hatten. Anfangs besuchten der Bader und Rob das Wirtshaus gemeinsam. Für gewöhnlich tranken sie und unterhielten sich mit den Einheimischen, dann fanden sie meist Frauen und brachten sie nach Hause. Aber der Bader konnte es mit dem unermüdlichen Appetit des Jüngeren nicht aufnehmen, und zu seiner Überraschung wollte er es auch nicht. Nun war es der Bader, der in vielen Nächten die Schatten auf dem anderen Lager beobachtete und es nicht erwarten konnte, dass sie endlich zu einem Ende kamen, Ruhe gaben und schliefen.
Am dritten Tag der Weihnachtswoche kam Rob wütend nach Hause. »Der verdammte Wirt! Er hat mir das Wirtshaus von Exmouth verboten!«
»Sicher nicht grundlos, nehme ich an.«
»Wegen Raufhändeln«, murmelte Rob verärgert. Rob verbrachte nun mehr Zeit zu Hause, war aber schlechter gelaunt denn je, und der Bader ebenfalls. Sie führten kein langes, unterhaltendes Gespräch mehr. Der Bader trank meistens, seine übliche Reaktion auf die kalte Jahreszeit.
Einmal am Tag verließ er das Bett, um eine ausgiebige Mahlzeit zu kochen. Er verwendete das fette Fleisch als Schutz gegen die Kälte und böse Ahnungen. Für gewöhnlich hatte er neben seinem Bett
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