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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Trinkgeld gegeben hatte, wusste er, dass er James Cullens Diener nicht weiterhin als Dolmetscher verwenden konnte.
    Als er zu seinem Wagen kam, saß Simon ben Levi in der Nähe auf dem Boden und besserte einen Sattelgurt aus.
    Rob ging zu dem jungen Juden.
    »Verstehst du auch Französisch und Deutsch?« Der Junge nickte, während er einen Sattelriemen an den Mund hielt und den gewachsten Faden abbiß.
    Rob sprach, und Simon hörte zu. Da die Bedingungen günstig waren und die Arbeit nicht viel Zeit beanspruchte, erklärte der Jude sich bereit, für den Baderchirurgen zu dolmetschen. Rob war froh. »Wieso kannst du so viele Sprachen?«
    »Wir kamen als Händler mit vielen Völkern in Berührung. Wir reisen ständig und haben Verwandte auf den Märkten, in aller Welt. Sprachen zu können gehört zu unserem Geschäft. Der junge Tuveh zum Beispiel studiert die Sprache der Mandarine, denn er wird in drei Jahren die Seidenstraße bereisen und in der Firma meines Onkels arbeiten.« Sein Onkel Issachar ben Nachum leitete eine große Filiale ihrer Familie in Kai Feng Fu, von wo er alle drei Jahre eine Karawane mit Seidenstoffen, Pfeffer und anderen exotischen Waren aus dem Orient nach Mesched in Persien schickte. Und seit Simons Kinderzeit waren er und andere männliche Familienmitglieder alle drei Jahre von Angora nach Mesched gereist, um eine Karawane mit den kostbaren Waren ins Ostfränkische Königreich zu begleiten. Robs Puls ging schneller. »Du kannst die persische Sprache?«
    »Selbstverständlich. Parsi.« Rob sah ihn verständnislos an. »Sie heißt Parsi.«
    »Willst du sie mich lehren?«
    Simon ben Levi zögerte. Das war etwas anderes, das konnte einen großen Teil seiner Zeit in Anspruch nehmen.
    »Ich werde dich gut bezahlen.«
    »Warum wollt Ihr Parsi lernen?«
    »Ich brauche die Sprache, wenn ich nach Persien komme.«
    »Ihr wollt dort regelmäßig Geschäfte machen?
    Immer wieder dorthin zurückkehren, um Krauter und Arzneimittel zu kaufen, wie wir es mit Seide und Gewürzen tun?«
    »Vielleicht.« Rob zuckte mit den Achseln, eine Geste, die Meier ben Aschers würdig gewesen wäre. »Ein wenig von dem, ein bißchen von jenem.«
    Simon grinste. Er begann die erste Lektion, indem er mit einem Stock in den Staub kratzte, aber das war unbefriedigend, und Rob ging zum Wagen, holte sein Zeichenmaterial und eine saubere Scheibe Buchenholz.
    Simon lehrte ihn das Parsi genauso, wie Ma ihm vor vielen Jahren beigebracht hatte, das Englische zu lesen, nämlich mit dem Alphabet. Die Parsibuchstaben bestanden aus Punkten und verschnörkelten Linien. Die Schrift sah aus wie Taubendreck, Vogelspuren, gekräuselte Hobelspäne, Würmer, die versuchten, miteinander zu kopulieren. »Das werde ich nie lernen.« Rob hatte schnell den Mut verloren. »O doch«, widersprach Simon ruhig.
    Rob kehrte mit der Holzscheibe zum Wagen zurück. Er verzehrte sein Abendessen bedächtig, ließ sich Zeit, um seine Aufregung unter Kontrolle zu bekommen. Dann setzte er sich auf den Kutschbock und machte sich sofort ans Üben.

Der stumme Wächter
    Sie kamen aus den Bergen in flaches Land, das von der römischen Straße, so weit das Auge reichte, vollkommen gerade durchschnitten wurde. Sie zogen an einem riesigen See entlang, folgten drei Tage lang seinen Ufern und hielten über Nacht an, um in einem Ort Vorräte zu kaufen. Es war ein besonderes Dorf, schiefe Häuser und verschlagene, betrügerische Bauern, aber der See - er hieß Balaton - war ein überirdischer Traum aus dunklem Wasser, das aussah wie ein Edelstein. Weißer Nebel stieg von der Oberfläche auf, während Rob am frühen Morgen darauf wartete, dass die Juden ihre Gebete sprachen. Es war komisch, den Juden zuzusehen.
    Merkwürdige Geschöpfe, die sich beim Beten vor- und zurückneigten. Gott schien mit ihren Köpfen zu jonglieren, die sich abwechselnd hoben und senkten, aber einem geheimnisvollen Rhythmus zu gehorchen schienen. Nach dem Gebet schwammen die Juden im See, und Rob folgte ihrem Beispiel. Sie genossen alle die Erfrischung nach dem Staub der Reise. Als sie ans Ufer zurückkehrten, bemerkte Meier Robs beschnittenen Penis und sah ihn fragend an.
    »Ein Pferd hat die Spitze abgebissen«, erklärte dieser. »Zweifellos eine Stute«, stellte Meier fest, murmelte dann den anderen etwas zu, woraufhin alle Rob grinsend betrachteten.

    Nachdem sie den See hinter sich gelassen hatten, wurde die Gegend öde. Sie fuhren die gerade, endlose Straße entlang, kamen Meile um Meile an

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