Medicus 01 - Der Medicus
immer gleichen Wäldern und Feldern vorbei, die sich kaum voneinander unterschieden, so dass die Eintönigkeit bald unerträglich wurde. Rob suchte Zuflucht bei seiner Phantasie, stellte sich die römische Straße vor, wie sie zu Beginn gewesen war: eine via in einem umfassenden Netz von Tausenden Straßen, die es Rom ermöglicht hatten, die Welt zu erobern. Zuerst kamen Kundschafter, eine berittene Vorhut. Dann folgte der Heerführer in seinem von einem Sklaven gelenkten Streitwagen, umgeben von Trompetern, die als feierliche Umrahmung und zur Nachrichtenübermittlung dienten. Dann die tribuni und die legati zu Pferd, die Stabsoffiziere. Ihnen folgte die Legion, ein dichter Wald aus Speeren - zehn Kohorten der am besten ausgebildeten Kämpfer und Killer der Geschichte, sechshundert Mann je Kohorte, jeweils hundert Legionäre, von einem centurio geführt. Und schließlich Tausende Sklaven, die die Rolle von Arbeitstieren übernahmen, die tormenta zogen, die riesigen Kriegsmaschinen, die der wahre Grund für den Straßenbau waren: große Sturmböcke, die Mauern und Befestigungen dem Erdboden gleichmachten, bösartige catapulta , die aus dem Himmel Pfeile auf den Feind regnen ließen, riesige ballista , die Schlingen der Götter, die Steinblöcke durch die Luft wirbelten oder große Balken schleuderten, als wären sie Pfeile.
Schließlich die impedimenta , der Troß aus Packpferden, Frauen und Kindern, Huren, Händlern, Kurieren und Regierungsbeamten, jenen Ameisen der Geschichte, die von den Überresten der römischen Feste lebten.
Die Cullen-Tochter ging wieder neben seinem Wagen und hatte ihr Pferd an eines der Packtiere gebunden.
»Wollt Ihr mit mir fahren, Mistress ? Der Wagen wird eine Abwechslung für Euch sein.«
Sie zögerte, doch als er die Hand ausstreckte, ergriff sie sie und ließ sich hochziehen.
»Eure Wange ist gut geheilt«, bemerkte sie. Sie errötete, sprach aber trotzdem weiter. »Von dem letzten Kratzer ist nur eine zarte silberne Linie übriggeblieben. Wenn Ihr Glück habt, wird sie verschwinden, und es bleibt keine Narbe zurück.«
Auch er errötete, und es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie seine Züge nicht gemustert hätte.
»Wie seid Ihr zu der Verletzung gekommen?«
»Eine Begegnung mit Wegelagerern.«
Margaret Mary Cullen holte tief Luft. »Ich bete zu Gott, er möge uns davor bewahren.« Sie sah ihn nachdenklich an. »Einige behaupten, dass Karl Fritta die Gerüchte von den magyarischen Banditen selbst in Umlauf setzt, um den Reisenden Angst einzujagen.« Rob hob die Schultern. »Ich traue es Master Fritta zu. Die Magyaren wirkten eigentlich nicht gefährlich.« Zu beiden Seiten der Straße ernteten Männer und Frauen Kohl.
Sie verstummten. Jede Unebenheit der Straße rüttelte die beiden durcheinander, und Rob hoffte, eine weiche Hüfte und einen festen Oberschenkel zu spüren. Der Geruch ihres Körpers glich dem schwachen, warmen Duft, den die Sonne den Beerenbüschen entlockt.
Er, der landauf, landab in England Frauen in den Armen gehalten hatte, konnte nur stockend sprechen. »Hat Euer erster Vorname immer schon Margaret gelautet, Mistress Cullen?« Sie sah ihn erstaunt an. »Immer.«
»Könnt Ihr Euch an keinen anderen Namen erinnern?«
»Als ich klein war, nannte mich mein Vater Schildkröte, weil ich manchmal so guckte.« Sie schloss und öffnete beide Augen langsam. Er sehnte sich danach, ihr Haar zu berühren, und wurde unruhig. Unterhalb des breiten Backenknochens befand sich auf ihrer linken Wange eine kleine Narbe, die er erst jetzt entdeckte, aber sie beeinträchtigte ihr Aussehen nicht. Er blickte rasch weg. Vorne wandte Cullen sich im Sattel um und erblickte seine Tochter auf dem Wagen. Cullen hatte Rob inzwischen mehrmals in Gesellschaft der Juden gesehen, und als er Mary Margarets Namen rief, erkannte man an seiner Stimme seine Mißbilligung. Sie stand auf. »Wie lautet Euer voller Name, Master Cole?«
»Robert Jeremy.«
Sie nickte ernst, aber ihre Augen neckten ihn. »Hat er immer so gelautet? Könnt Ihr Euch an keinen anderen Namen erinnern?« Sie raffte ihre Röcke mit einer Hand zusammen und sprang leichtfüßig wie ein Tier hinunter.
Kurz sah er weiße Beine aufleuchten. Rob schlug die Stute mit den Zügeln auf den Rücken und ärgerte sich darüber, dass sich die Cullen-Tochter über ihn lustig gemacht hatte.
An diesem Abend suchte er nach dem Essen Simon wegen der zweiten Lektion auf, und er stellte fest, dass die Juden Bücher besaßen. An der
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