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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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der Schotte.
    Eine Frau schrie.
    »Mary?«
    »Nein, nein. Kommt mit!«
    Es war eine dunkle, mondlose Nacht. Nur hinter dem Lager der Juden hatte jemand Pechfackeln angezündet, und im flackernden Licht sah Rob, dass ein Mann im Sterben lag.
    Es war Raybeau, ein leichenblasser Franzose, der drei Plätze hinter Rob in der Marschlinie reiste. In seiner Kehle klaffte ein offener Riß, und neben ihm auf dem Boden glänzte eine dunkle Lache. »Er war heute nacht der Wächter unseres Abschnitts«, erklärte Simon. Mary Cullen nahm sich des schreienden Weibes an, Raybeaus gewichtiger Frau, mit der er fortwährend gestritten hatte. Unter Robs feuchten Fingern fühlte sich die aufgeschlitzte Kehle des Mannes glitschig an. Raybeaus Atem ging rasselnd, einen Moment wandte er sich dem verzweifelten Geschrei seiner Frau zu, dann krümmte er sich zusammen und starb.
    Einen Augenblick später schraken sie vom Geräusch galoppierender Pferde zusammen. »Es sind nur berittene Wachen, die Fritta ausschickt«, beruhigte sie Meier aus dem Dunkeln. Die gesamte Karawane war auf den Beinen und bewaffnet, doch bald kehrten Frittas Reiter mit der Meldung zurück, dass sie keine Räuberbande gefunden hätten. Vielleicht war der Mörder ein einzelner Dieb oder der Kundschafter von Banditen gewesen; auf jeden Fall war er verschwunden.
    Den Rest der Nacht schliefen sie wenig. Am Morgen wurde Caspar Raybeau dicht neben der Römerstraße begraben. Karl Fritta sprach eilig die Begräbnisformeln auf deutsch, dann verließen die Leute die Grabesstelle und trafen nervös Vorbereitungen für die Weiterreise. Die Juden beluden ihre Packmaultiere so, dass die Lasten sich nicht lockerten, wenn die Tiere galoppieren mußten. Jedes Maultier war unter anderem mit einem schmalen, offenbar sehr schweren Sack aus Leder beladen. Rob konnte sich denken, was sich darin befand. Simon kam nicht zum Wagen, sondern ritt neben Meier, bereit zu kämpfen oder zu fliehen, falls es notwendig wurde.
    Am nächsten Tag erreichten sie Novi Sad, eine geschäftige Stadt am linken Ufer der Donau. Hier erfuhren sie, dass eine Gruppe von sieben fränkischen Mönchen, die ins Heilige Land pilgerten, vor drei Tagen von Banditen überfallen, beraubt, geschändet und getötet worden war.
    Während der nächsten drei Tage reisten sie, als stünde ständig ein Angriff bevor, doch sie gelangten am breiten, glitzernden Strom entlang ohne Zwischenfall nach Belgrad und kauften dort auf dem Bauernmarkt Vorräte, darunter kleine, säuerliche Pflaumen, die köstlich schmeckten, und kleine grüne Oliven, die Rob zusagten. Er nahm sein Abendessen in einer Taverne ein, doch es entsprach nicht seinem Geschmack, denn es bestand aus mehreren fetten Fleischsorten, die gehackt und vermischt worden waren und nach ranzigem Fett schmeckten.
    Schon in Novi Sad hatten etliche Leute die Karawane verlassen, und weitere verließen sie in Belgrad. Dafür stießen andere zu ihr, so dass Cullen, Rob und die jüdische Gruppe in der Marschlinie vorrückten und nicht mehr der gefährdeten Nachhut angehörten. Bald nachdem sie Belgrad verlassen hatten, kamen sie durch ein Vorgebirge, das bald in hohe Berge überging, die unwegsamer waren als alle, die sie bisher überquert hatten. Die steilen Hänge waren mit Steinblöcken übersät, die wie gefletschte Zähne aussahen. Auf den höheren Wegstrecken wehte ein scharfer Wind, und sie mussten plötzlich an den Winter denken: Diese Berge mussten bei Schnee die Hölle sein.
    Jetzt konnte Rob nicht mehr mit verhängten Zügeln fahren. Bergauf musste er die Stute oft mit sanften Schlägen antreiben, und beim Bergabfahren half er, indem er sie zurückhielt. Als seine Arme schon schmerzten und seine Stimmung am Nullpunkt war, fiel ihm ein, dass schon die Römer ihre tormenta über dieses düstere Gebirge befördert hatten. Aber die Römer hatten Horden von Sklaven besessen, er dagegen besaß eine einzige, ermüdete Stute, die er überaus gewandt lenken mußte. Abends schleppte er sich ermattet ins Lager der Juden, wo er gelegentlich eine Lektion erhielt. Doch Simon fuhr nun nicht mehr in seinem Wagen mit, und an manchen Tagen lernte Rob nicht einmal zehn Wörter.

Der Balkan
    Jetzt kam Karl Fritta zum Zug, und Rob bewunderte ihn zum erstenmal, denn der Anführer der Karawane war überall, half, wenn ein Wagen beschädigt wurde, drängte und trieb die Leute an wie ein guter Treiber seine Tiere. Der Weg war steinig. Am ersten Oktober verloren sie einen halben Tag, weil die

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