Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
der Karawane in Gabrovo. Wir reiten in die nahegelegene Stadt Tryavna, weil es dort Juden gibt.«
    »Aber ich muss das Buch haben. Und ich brauche deine Lektionen.« Simon hob die Schultern.
    Nachdem Rob an diesem Abend das Pferd versorgt hatte, suchte er das Lager der Juden auf, die gerade einige besonders geschmiedete Hufeisen begutachteten. Meier reichte Rob eines. »Ihr solltet Euch für Eure Stute einen Satz machen lassen. Sie bewahren das Tier davor, auf Schnee und Eis auszugleiten.«
    »Kann ich nicht nach Tryavna mitkommen?«
    Meier und Simon wechselten einen Blick; offenbar hatten sie bereits darüber gesprochen. »Es liegt nicht in meiner Macht, Euch die Gastfreundschaft von Tryavna zu gewähren.«
    »Wer kann das?«
    »Der Anführer der dortigen Juden ist ein großer Weiser, der rabbenu Sch'lomo ben Elijahu.«
    »Was ist ein rabbenu ?«
    »Ein Gelehrter. In unserer Sprache bedeutet rabbenu >unser Lehrer< und ist ein Ausdruck höchster Ehrerbietung.«
    »Dieser Sch'lomo, dieser Weise, ist er ein hochmütiger Mann, der Fremden gegenüber kalt, hart und unnahbar ist?« Meier schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Kann ich nicht vor ihn treten und um die Erlaubnis bitten, bei Eurem Buch und Simons Lektionen zu bleiben?«
    Meier sah Rob an, und man erkannte, dass er über die Frage nicht glücklich war. Er schwieg lange, doch als er begriff, dass Rob eigensinnig auf eine Antwort wartete, seufzte er und schüttelte den Kopf. »Wir werden Euch zu dem rabbenu bringen.«

Tryavna
    Gabrovo war eine trostlose Stadt mit schäbigen Holzhäusern. Seit langem sehnte sich Rob nach einer Mahlzeit, die er nicht selbst gekocht hatte, einer guten Mahlzeit, die ihm auf dem Tisch eines Gasthauses vorgesetzt wurde.
    Die Juden blieben kurz in Gabrovo, um einen Kaufmann aufzusuchen, und diese Zeit nützte Rob, um in einem der drei Wirtshäuser einzukehren. Das Essen war eine schreckliche Enttäuschung: Das Fleisch war zu stark gesalzen, um zu verheimlichen, dass es einen Stich hatte, und das Brot hart und altbacken. Es wies Löcher auf, aus denen man zweifellos Getreidekäfer herausgeholt hatte. Die Räume waren ebenso unbefriedigend wie das Essen. Wenn die anderen beiden Herbergen nicht besser waren, stand den Mitgliedern der Karawane ein harter Winter bevor, denn jede verfügbare Handbreit war mit Strohsäcken vollgestopft, und sie würden Wange an Wange schlafen müssen.
    Meiers Gruppe brauchte nicht einmal eine Stunde, um nach Tryavna zu kommen, das viel kleiner war als Gabrovo. Das Judenviertel - ein paar von der Witterung gebleichte Holzgebäude mit Strohdächern -war von der üppigen Ortschaft durch Weingärten, die im Winterschlaf lagen, und braune Felder getrennt, auf denen Kühe die Stoppeln des erfrorenen Grases fraßen. Sie kehrten in einem Hof ein, wo Jungen sich ihrer Tiere annahmen. »Ihr wartet am besten hier«, sagte Meier zu Rob.
    Es dauerte nicht lang, da holte ihn Simon und führte ihn in eines der Häuser, durch einen dunklen Korridor, der nach Äpfeln roch, bis zu einem Raum, dessen Einrichtung nur aus einem Stuhl und einem Tisch bestand. Auf dem Tisch häuften sich Bücher und Manuskripte. Dahinter saß ein alter, beleibter Mann mit schneeweißem Haar und Bart. Er war gebeugt, hatte ein Doppelkinn und große braune Augen, die tränten, aber bis in Robs Seele drangen. Namen wurden nicht genannt; es war, als träte Rob vor einen Lehensherrn.
    »Wir haben dem rabbenu mitgeteilt, dass Ihr nach Persien reist und für Eure Geschäfte die Sprache des Landes lernen müßt«, sagte Simon. »Er fragte darauf, ob die Freude an der Gelehrsamkeit nicht Grund genug sei zu studieren.«
    »Manchmal bereitet das Studium Freude«, wandte sich Rob direkt an den alten Mann. »Für mich ist es zumeist harte Arbeit. Ich lerne die Sprache der Perser, weil ich hoffe, dass sie mir zu dem verhelfen wird, was ich möchte.«
    Simon und der rabbenu sprachen leise miteinander.
    »Er fragt, ob Ihr immer so ehrlich seid. Ich habe ihm erzählt, dass Ihr einem vom Tode Gezeichneten geradeheraus erklärt habt, dass er sterben wird, und er hat geantwortet: >Er ist wirklich ehrlich.<«
    »Sag ihm, dass ich Geld habe und für Verpflegung und Unterkunft bezahlen werde.«
    Der Weise schüttelte den Kopf.
    »Das ist kein Gasthaus. Wer hier wohnt, muss arbeiten«, übersetzte Simon. »Wenn der Erhabene barmherzig ist, werden wir in diesem Winter keinen Baderchirurgen brauchen.«
    »Ich brauche nicht als Baderchirurg zu arbeiten. Ich bin bereit, alles zu

Weitere Kostenlose Bücher