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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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schneller Reihenfolge eroberten Milizen in Georgia, Alabama, Florida, Louisiana und Mississippi Einrichtungen der Vereinigten Staaten, die von den auf Frieden eingestellten offiziellen Truppen trotz teilweise heftiger Gegenwehr nicht gehalten werden konnten.
    Liebe Ma, lieber Pa,
    ich gehe mit Mal Howard weg, um mich dem Süden anzuschließen. Wir wissen noch nicht genau, in welchem Staat wir uns anwerben lassen. Mal würde gerne nach Tennessee, um bei seinen Verwandten zu kämpfen. Mir ist es ziemlich egal, außer ich kann nach Virginia zu Mas Familie.
    Mr. Howard sagt, es ist wichtig, dass die Südstaaten eine schlagkräftige Armee aufstellen, um Lincoln zu zeigen, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist. Er meint, Krieg wird’s nicht geben, es ist ja nur ein Familienstreit. Bis zum Frühjahr, wenn die Lämmer kommen, bin ich also längst wieder zurück.
    Pa, vielleicht habe ich bis dahin auch schon mein eigenes Pferd und mein eigenes Gewehr!
    Euer Euch liebender Sohn
    Alexander Bledsoe Cole
    Shaman fand in seinem Zimmer noch einen zweiten Brief, eine kurze, auf ein Stück braunes Packpapier gekritzelte Notiz, die, mit dem Gegenstück seines eigenen Taschenmessers beschwert, auf seinem Kopfkissen lag.
    Kleiner Bruder,
    heb das für mich auf! Ich möcht’s nicht verlieren. Bis bald!
    Bigger
    Rob J. ging sofort zu Julian Howard, der trotzig und zugleich verlegen zugab, die Jungen am Vorabend direkt nach der Arbeit in seinem Buckboard nach Rock Island gebracht zu haben. »Mein Gott, deswegen brauchen Sie sich doch nicht so aufzuregen! Beide sind erwachsene Jungs, und es ist doch nur ein kleines Abenteuer!« Rob J. fragte ihn, zu welcher Anlegestelle er sie gebracht habe. Es waren die letzten Worte, die er je zu Julian sagen sollte. Howard sah Rob J. Cole in seiner ganzen furchteinflößenden Größe vor sich stehen, er spürte die Verachtung und die Kälte in der Stimme dieses hochnäsigen Doktors, und er stammelte, dass er sie in der Nähe des Three Star Freight Transport Pier abgesetzt habe. Rob J. ritt direkt dorthin, obwohl kaum Hoffnung bestand, dass er sie noch antreffen würde. Wenn es so kalt gewesen wäre wie in früheren Wintern, hätte er vielleicht mehr Glück gehabt, aber der Fluss war nicht zugefroren, und es herrschte reger Schiffsverkehr. Der Geschäftsführer der Transportgesellschaft sah ihn verwundert an, als er fragte, ob er zwei Jungen bemerkt habe, die auf einem der Flussabwärts fahrenden Kähne oder Flöße Arbeit gesucht hätten.
    »Mister, wir hatten gestern an diesem Pier zweiundsiebzig Schiffe zum Be- oder Entladen, und das in der Nebensaison, und wir sind nur eine von vielen Transportgesellschaften am Mississippi. Auf fast allen Kähnen heuern junge Männer an, die irgendwo von zu Hause ausgerissen sind, da achte ich doch nicht auf einzelne«, sagte der Mann nicht unfreundlich.
    Für Shaman waren die Südstaaten, die sich einer nach dem anderen abspalteten, wie Maiskörner, die in einer heißen Pfanne aufplatzen. Seine Mutter brachte ihre Tage rotäugig im Beten zu, und sein Vater erledigte seine Hausbesuche mit verkniffenem Gesicht. In Rock Island hatte einer der Futtermittelhändler einen Großteil seiner Vorräte in das Hinterzimmer geräumt und die Hälfte seines Ladens an einen Werber der Armee vermietet. Shaman ging einmal dorthin, weil er glaubte, bei seiner Kraft und Stärke wenigstens zum Bahrenträger geeignet zu sein, wenn sonst in seinem Leben schon alles schiefging. Aber der Corporal, der die Männer anwarb, zog nur belustigt die Augenbrauen in die Höhe, als er hörte, dass Shaman taub sei, und sagte ihm, er solle wieder nach Hause gehen.
    Allmählich bekam Shaman das Gefühl, dass er gar kein Recht habe, sich um sein persönliches Leben solche Sorgen zu machen, während um ihn herum die Welt in Scherben zu gehen drohte. Am zweiten Dienstag im Januar brachte ihm sein Vater einen Brief und am darauffolgenden Donnerstag noch einen. Sein Vater überraschte ihn, weil er noch wusste, dass er dem Sohn neun Schulen empfohlen hatte, und er hatte die Antwortbriefe genau gezählt.
    »Das ist der letzte, nicht?« fragte er Shaman nach dem Abendessen. »Ja. Vom Missouri Medical College. Eine Absage«, antwortete Shaman, und sein Vater nickte, ohne Überraschung zu zeigen. »Aber das ist der Brief, der am Dienstag gekommen ist«, sagte Shaman, zog ein Blatt Papier aus der Tasche, faltete es auseinander und reichte es seinem Vater zum Lesen. Das Schreiben war von Dr. Lester Nash Berwyn, dem

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